Gedicht-Vertonung?

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Vertonungen eines Gedichtes
von Ludwig Seeger?

Bei der Menge der Seegerschen Gedichte - ich zähle mehr als 500 publizierte und handschriftliche, und weitere Recherchen könnten die Zahl erhöhen -, und bei der Beliebtheit Ludwig Seegers zu Lebzeiten müsste das eine oder andere Gedicht vertont worden sein. Dies ist umso wahrscheinlicher, wenn man die prinzipielle Sangbarkeit eines großen Teils der strophischen Lyrik berücksichtigt; sie sind im übrigen häufig als Lieder tituliert, beispielsweise ‘Lieder ... aus dem Badeleben’, ‘Neue Lieder...’, ‘Lieder der Dämmerung’, ‘Lieder des Morgens’ oder ‘Lieder des Tages’. Der volksliedhafte Ton vieler Texte lässt die Vermutung weiter steigen. Und berücksichtigt man den engeren Freundeskreis, Kausler, Richter, Kurz u.a., und den weiteren Bekanntenkreis, zu welchem Herwegh, Uhland, Schwab, Mörike und Raabe (nach Auskunft Raabes in einem Brief an seine Mutter vom 2. September 1863 hat Seeger mit ihm wegen der Aufnahme in dessen Sammlung "Deutsches Dichterbuch aus Schwaben" engen Kontakt gehabt; dies darf sicher für die anderen dort versammelten Autoren auch gelten) als bedeutendste Namen zählen, so muss man sich auf die Suche nach Vertonungen machen.

Die bisherige Suche darf als relativ erfolglos bezeichnet werden. So wurden sämtliche mir bekannten Gedichtüberschriften und -anfänge Ludwig Seegers im ‘Deutschen Volksliedarchiv, Freiburg i. Br.’ mit dem dortigen umfangreichen Katalog verglichen: nichts! Auch die Auswertung der diversen Nachschlagwerke war bisher ein Schlag ins Wasser.

Und doch, bei der Durchsicht der Dichterkatalogs im ‘Deutschen Volksliedarchiv’ taucht der Name Ludwig Seeger einmal auf, allerdings mit Fragezeichen, einem Fragezeichen, das auch weiterhin nicht getilgt werden kann. J.H.Schulze gibt 1827 seinen ‘Neuen Liederkranz’ heraus, in welchem er 500 Lieder heute noch bekannter (Goethe, Schiller, Schubart, Novalis, Claudius, Hölty, Voß, Körner, Hagedorn, Hebel, v. Kotzebue, Gleim, Kleist, Lessing, Bürger, Matthisson, Neuffer, Kerner, Arndt, Klopstock, Blumenhagen, Gerhard und Uhland), unbekannter sowie anonymer Autoren versammelt. Es handelt sich hierbei wohl ausschließlich um Gesungenes, bei vielen Texten ist die Melodie angegeben, auf die der Text verfasst ist, (beispielsweise zu Nr. 173 und Nr. 359: ‘Mel. God save the king.’!); bei anderen scheint die Melodie so bekannt gewesen zu sein, dass der Herausgeber sich einen Hinweis als überflüssig erspart hat. Als Nr. 481, unmittelbar vor Uhlands ‘Wir sind nicht mehr am ersten Glas’ ist ein Lied abgedruckt, dessen Autor uns im Inhaltsverzeichnis als Seeger, ohne Vornamen!, angegeben wird. Der fehlende Hinweis auf eine Melodie legt nahe, dass das Lied zum allgemeinen Liederschatz süddeutscher Männerchöre gehört haben dürfte, ja es mag - mit Blick auf den Inhalt - gar die Vereinshymne so manches Männergesangsvereins gewesen sein.

Das Lied sei hier vollständig abgedruckt, da es heute völlig in Vergessenheit geraten ist, obwohl es nach einer neuerlichen gesanglichen Aufführung ruft:


Wir sind ein festgeschloßner Bund
Für hellen Liederklang,
Und aus des Herzen tiefem Grund
ertönet unser Sang.
Wir singen nicht um Gut und Geld,
und nicht zu eitler Pracht,
Nein, das was uns zusammen hält,
Es ist der Töne Macht.

Wo etwas tief im Herzen glüht,
Sey’s Freude oder Schmerz,
So drängt es sich heraus im Lied,
und tönet himmelwärts.
Und wie ein Bach in wilder Lust
sein eigen Bett sich schafft,
So strömt durch jede Menschenbrust
der Töne Wunderkraft.

 

Soweit der Text des volkstümlichen Liedes. Es mag sehr wohl der Feder Ludwig Seegers entstammen, diesen Sprachduktus, wenn auch reifer, finden wir in vielen seiner Natur- und Heimatgedichte, v.a. den Liedern, die er in der Schweiz verfasst hat. Aber: im Erscheinungsjahr des Bandes ist Ludwig Seeger erst siebzehn Jahre alt. Und wenn auch im ‘Liederkranz’ viele neue, noch nicht zum Allgemeingut zu zählende Lieder erfasst sind, müssen Text und Melodie in Sängerkreisen sehr wohl ein Begriff gewesen sein.

Natürlich kann das Lied von dem jungen Mann aus Wildbad geschrieben worden sein, vielleicht im Auftrag seines gleichnamigen Vaters Luwig Seeger, dem als Reallehrer in Wildbad sicher auch die Leitung eines Männergesangvereins übertragen war. Und wer die rauschende Enz mit ihrer ‘wilden Lust’ oder des ‘Berges Höh’n’ mit den ‘alten Tannen’, die ‘friedsam steh’n’ von Kindesbeinen an vor Augen hat, mag sich leicht in die Bilder des Liedes einfinden.

Wenn man zudem bedenkt, dass Ludwig Seeger fünf Jahre nach Druck des Liedes in Ludwig Uhlands Stilistikum eintritt, d.h. in diese freiwillige und doch strenge Runde einer ‘Dichterschule’, in welche man normalerweise nur aufgenommen wurde, sofern man schon einige lyrische Proben vorzuweisen hatte, so darf mit Fug und Recht davon ausgegangen werden, dass Ludwig Seeger sich seit seiner frühesten Kindheit mit lyrischen Versuchen beschäftigte. Nicht zuletzt mag als Indiz hierfür seine schon aus der Schulzeit im Seminar Schönthal bekannte Liebe zur antiken Lyrik herangezogen werden.

Doch all dies beweist nichts. Bis zur endgültigen Verifikation oder Falsifikation durch den Fund eines unzweifelhaften Belegs für oder gegen die Autorschaft Ludwig Seegers wollen wir es im zuschreiben - ohne jedoch das große Fragezeichen aus den Augen zu verlieren.

Der hübsche Text selbst wäre nicht des Aufhebens wert, gäbe es nicht gleich zwei Vertonungen des 19. Jahrhunderts für vierstimmigen Männerchor. Beide sind 1848 (erstmals?) gedruckt worden, und wohl ganz bewusst im Revolutionsjahr 48. Dies ist wohl mit auch ein Grund, weshalb das Lied, bzw. sein Text in unzähligen Liederheften und -büchern des 19. Jahrhunderts auftaucht, was neben der Beliebtheit unterstreicht, dass es zum Allgemeingurt v.a. der schwäbischen oder besser württembergischen Chöre geworden war.

Unbekannter dürfte von beiden Vertonungen die von Carl Geißlers (Op.77, Nr.2) sein, die Wilhelm Greef im fünften Heft seiner ‘Männerlieder’ unter dem Titel ‘Der Sängerbund’ mitteilt. Wesentlich bedeutender ist die Sammlung von Th.Täglichsbeck, die 1848 in Stuttgart unter dem Titel ‘Germania. Ein Freiheitsliederkranz für deutsche Sänger aller Stände.’ herauskam. Lassen wir Täglichsbeck in seiner Vorrede selbst zu Wort kommen, um die Ziele seiner Sammlung zu erläutern. Ziele, die auch Ludwig Seeger - wenn auch in weniger martialischen Worten und mit liberalerem, demokratischerem Grundton - in seinem politischen Streben stets verfolgte: die Überwindung der nachnapoleonischen, deutschen Kleinstaaterei, und die Bildung eines geeinten Deutschland; sie sollten erst nach blutigen Wirren ein knappes viertel Jahrhundert später Wirklichkeit werden:

‘Die Stürme, die zu Anfang dieses Jahrhunderts Europa durchbrausten, und die glorreichen Kriege, die Deutschland vom fremden Joche befreiten, brachten uns auch ein neues deutsches Volkslied. Jener Zeit, die in Eisen klirrte und alte Schmach mit Blut zu sühnen strebte, konnten die alten bleichsüchtigen Mondscheinlieder, traurige Erzeugnisse einer kraft= und thatlosen Vergangenheit, nicht mehr genügen. Mit anderem Plunder von morschgewordenen Zöpfen und Zeptern warf sie auch den Wust der sogenannten Gesellschafts= und Operngesänge von sich und setzte an ihre Stelle wie mit einem Zauberschlage eine ganze Reihe neuer Lieder von kräftigem, echt deutschem Gepräge.

Diese Lieder, voll Leben und frischer Kraft, ganz geeignet für des Menschen höchste Güter: Freiheit und Vaterland zu begeistern, wem wären sie nicht bekannt und wessen Herz hätte sich nicht schon daran gekräftigt und erquickt?

Das freie, einige deutsche Reich, von dem sie singen und sagen, glich freilich nur einem schönen Traume, der lange nicht zur Wahrheit werden sollte. Aber grade diese Klänge von einem versunkenen, verlorenen Heiligthume waren es, die während einer langen, traurigen, trostlosen Zeit unsere stäten Begleiter waren und die Hoffnung einer bessern Zukunft in unseren Herzen fort und fort wach und lebendig erhielten. Darum betrachtet das deutsche Volk diese Lieder als seinen theuersten Schatz, wie man einen Gefährten liebt, der uns Trübsal und Beschwerden treulich hat tragen helfen und in Noth und Leid tröstend zur Seite stand.

Doppelt wert und theuer müssen sie uns daher seyn in jetziger Zeit, wo die Träume von deutscher Macht, Kraft und Herrlichkeit, die sich schon früh ahnend ausgesprochen, in Erfüllung gehen sollen, und eine Sammlung der besten dieser Lieder, wie wir sie hier den deutschen Sängern vorlegen, mit den gelungensten Erzeugnissen der Gegenwart und der Blüthe des echten naturwüchsigen Volksliedes in Einen Kranz gewunden, wird gewiß als zeitgemäßes Unternehmen willkommen geheißen werden und auf eine beifällige Aufnahme rechnen dürfen.

Mögen diese Lieder, soweit sie einst für die Größe und Freiheit des Vaterlandes begeisterten und seitdem den glimmenden Funken zur jetzigen Erhebung des deutschen Volkes für seine unter dem Drucke volksfeindlicher Kräfte ihm verkümmerten Rechte und Freiheiten genährt haben, - mögen diese Lieder auch jetzt alle Deutschen zur Erreichung eines edlen und großen Ziels begeistern: zur Wiederherstellung eines freien, einigen deutschen Reiches, - einer Germania, durch Einheit und Freiheit stark zu muthiger und kräftiger Abwehr aller Gefahren, welche ihr von außen drohen, stark die gleich verderbenbringende Reaction und Anarchie, komme sie von außen oder innen, von oben oder unten, kräftig zu Boden zu treten!’

Das ist ganz im Sinne Ludwig Seegers, und wenn wir sein(?) Lied in dieser Sammlung neben Texten von Luther, Arndt, v. Fallersleben, Friedrich Schlegel, Uhland, Herwegh u.a., neben einer ganzen Reihe von Freiheitsliedern der Schleswig-Holsteiner (ein politisches Anliegen Seegers war die freie Selbstbestimmung für Schleswig-Holstein), darunter eines auf die Melodie der ‘Marseillaise’, finden, so wird dies sicherlich seine Billigung gehabt haben.

Unter zahllosen Komponisten taucht in diesem Band immer wieder der Name Friedrich Silchers auf, des großen württembergischen Tonsetzers unvergessener Chorlieder. Als Nr. 150 steht unter dem Titel ‘Die Sänger’ die wiederum nur mit dem Nachnamen Seeger unterzeichnete Vertonung von ‘Wir sind ein festgeschloßner Bund’ durch Silcher. Auch hier muss weitergefragt und geforscht werden, war doch Silcher viele Male in Wildbad, nicht nur mit dem Freund Ludwig Uhland, sondern bis kurz vor seinem Tod zu zahlreichen, auch krankheitsbedingten Aufenthalten. Ein Kontakt zur Familie Ludwig Seeger, damals zu den wichtigsten Familien Wildbads zählend, dürfte überaus wahrscheinlich sein, waren doch die politischen Ziele Silchers, Adolf und Ludwig Seegers und Ludwig Uhlands sehr eng beieinanderliegend.

Wir wissen, dass wir hier noch sehr wenig wissen. Durch die bei Seeger stets schwierige Quellenlage muss über die Vertonungen Seegerscher Gedichte mit Sicherheit noch vieles aufgedeckt werden.

 

© Dr. Rüdiger Krüger, Rheda-Wiedenbrück 2006
Kontakt: mailto:siegfriedcarl@hotmail.com
letzte Änderung: 21.04.00

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