Badeleben Wildbad

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Ludwig Seeger

Lieder und Bilder aus dem Badeleben.

 

Anfrage

Bilder aus dem Badeleben,
Die an hell' und trüben Tagen
Ich an mir vorüberschweben
Sah, und einfing mit Behagen,
Nebelbilder, kommend gehend,
Leicht hinwallend, stolz sich blähend,
Rasch in Luft und Duft verwehend -
Darf ich sie zu zeigen wagen?

Wildbad, im August 1859.

 

Einfahrt

Wie lustig der Tannen grüner Schein,
Die sich wiegen im Abendstrahle,
Sie nicken rechts und links herein,
Wild rauscht der Fluß im Thale.

Er stürzt sich jauchzend über das Wehr
Der Mühle, die er rüttelt;
Grau liegen die hölzernen Hütten umher,
Wie aus dem Sieb geschüttelt.

Der Waldbach weiß vom wilden See
Uns Mährchen zu erzählen,
Vom wilden Jäger, vom Schloß der Fee
Und ihren krystallenen Sälen.

Der Waldbach spricht: "Komm her, Gesell,
Mit deinem Weh und Schaden,
In meinen kühlen Wassern schnell
Wirst Du gesund dich baden."

Wir seufzen: o Bach, die Zeit ist schwer,
Die Zeit der Schäden und Schwächen.
Invaliden, wie wir, die baden nicht mehr
In eisig kalten Bächen.

O Waldbach, krank ist Hand und Hals,
Der Fuß bedarf der Krücken;
Die Douchen deines verwegenen Falls
Die würden uns vollends knicken.

Einst kannten auch wir den Drang und Sturm,
Das wilde, verwegene Pochen,
Doch, ach, jetzt nagt ein böser Wurm
An unsern alten Knochen.

Wir sind gewöhnt, daß Weib und Kind
Uns pflegen, und richten wie Rosen,
Daß weiche, warme Hände lind
Uns streicheln und uns kosen.

Drum bitten wir dich allzumal,
Waldbruder, du wilder Geselle,
Empfiehl uns deiner Schwester im Thal,
Der Nymphe, der warmen Quelle!

 

Das Bad.

Wo die schlanken Fichten lauschend,
Sinnend erst die Tannen stehn,
Wo, wie ferne Wogen, rauschend
Durch den Wald die Winde wehn,
Wo der Fluß, in Schaum zerronnen,
Tanzt das grüne Thal hinab,
Hier ergießen warme Bronnen
Sich aus tiefem Felsengrab.

Wenn der Lenz auf duft'gen Schwingen
Laue Lüfte hergeführt,
Wenn die Erd' ein frisches Ringen
Tief in allen Gliedern spürt,
Wenn von fern zum Frühlingsfeste
Lust'ge Sänger wieder nahn,
Kommen hoffend auch die Gäste
In dem stillen Thale an.

Und es füllt sich Straß' und Halle
Und lebendig wogt das Haus,
Zu des Baches wildem Falle,
Zu den Hütten strömts hinaus.
In der laub'gen Gänge Schatten
Auf dem hohen Hügelweg,
Auf dem Fels, auf grünen Matten
Stiehlt so hold der Tag sich weg.

Und am Morgen lösen Lieder
Dir des Schlummers leichtes Band,
Und die heilbedürft'gen Glieder
Legst Du in den warmen Sand.
Weich, wohlwollend, wonnig wühlen
Uns die Wellen um die Brust;
Süß durchschauerts uns, wir fühlen
Der Genesung nahe Lust.

 

Am Bache.

Schicksal, mach' es gut mit mir,
Schenke mir des Frühlings Zier,
Laß den Maientrank mir schäumen
Mitten in den Sommertagen,
Laß mich Frücht' und Blüthen tragen,
Gleich des Südens schönen Bäumen!
Weisheit laß mich in die Scheuer
Sammeln für die späten Jahre,
Aber unter'm grauen Haare
Lodern laß das Jugendfeuer!
Laß mich nie in dumpfem Sehnen,
In verworrnen Träumen schmachten;
Laß es nie zu tief mir nachten,
Laß mich irren nie in jenen
Gähnenden Gedankenschachten,
Wo uns Licht und Luft vergehn,
Wo nur Moderdüfte wehn,
Nie des Himmels Sterne scheinen;
Laß mich nie nach Edelsteinen
Dort, dem Leben ferne, graben;
Gönne mir, mein Herz zu laben
In der blauen Himmelsluft,
Laß sie mich in vollen Zügen
Trinken, laß am Bach mich liegen,
An dem spiegelklaren, kühlen,
Und die Wellen laß mir spielen
Edelstein' und goldne Grüße
Im Vorbeigehn vor die Füße!

 

Im Föhrenwald.

Trag deinen Wipfel hoch und stolz,
Es steht im Wald kein edler Holz,
Als du, o schlanke Föhre!
Nicht Palm' und Pinie willst Du seyn,
Nicht stehn in der Titanen Reihn,
Du suchst nicht fremde Ehre.

Du bist von schlichter Bauernart,
Genügsam, schwielig, zäh und hart,
Aus rauhem Stoff geschaffen.
Mit langen Wurzeln greifst du rund
Umher im steinig magern Grund,
Dir Nahrung zu erraffen.

Und wenn es dir nicht glücken will,
So kehrst du um, geduldig still,
Und suchst auf andern Wegen.
"Komm Zeit, kommt Rath,"..."wer sucht der find't,"
Und selbst die Felsenadern sind
Nicht ohne Saft und Segen.

Mit allen Fasern saugst du fest
Dich in der Erde, bohrst und läßst
Im Schopf dir krau'n die Lüfte;
Streckst Dich empor zum Himmelsblau,
Du trinkst des Morgens Licht und Thau
Und schenkst ihm Balsamdüfte.

Und einsam stehst du nicht im Wind,
Es sprossen Kind und Kindeskind
Und Brüder und Kamraden.
Ihr steht beisammen, Mann an Mann,
Geschlossen mauerfest - was kann
Der grimmste Feind euch schaden?

Und stäubt der Wind den Sand empor
Und pudert euch den grünen Flor -
Was ist daran gelegen?
Ihr schüttelts ab, und kann's nicht seyn
So wascht euch säuberlich und rein
Der nächste Sommerregen.

Kommt ungestüm mit Saus und Braus
Der Sturm, und machen's gar zu kraus
Die windigen Gesellen:
Ihr stemmt euch an einander dicht,
Und wenn ein Ast auch kracht und bricht,
Sie werden euch nicht fällen.

Vor euern tapfern Reihen prallt
Zurück die tückische Gewalt
Der losgelassnen Meute.
Mit Blitz und Donner rast daher
Der wilde Jäger und sein Heer,
Doch macht er wenig Beute.

Das Eichhorn krallt am Stamm sich fest,
Der Rabe steckt den Kopf in's Nest,
Und kreischt aus heisrer Kehle.
Der Fuchs, der spät noch jagen ging,
Bellt heiser, traut nicht mehr dem Ding,
Und schleicht nach seiner Höhle.

Ha, wie das pfeift und gellt und höhnt,
Wie's in den Aesten knarrt und stöhnt!
Ein Tapfrer liegt gebrochen,
Er kann nicht mehr, er wankt, er legt
Sich auf den Nebenmann und schlägt
Auch ihm entzwei die Knochen.

Und immer wilder tobt der Strauß;
Da tritt aus seinem Wolkenhaus
Hervor, der Mond, der bleiche.
Ein wüstes Schlachtfeld, überdeckt
Mit Trümmern, racheflehend reckt
Den Arm auf Leich' an Leiche.

Des Morgens rothe Fahne wallt,
Und helle Feldmusik erschallt
Von den zerzausten Zweigen.
Aus tausend Wunden blutend steht
Der Wald in lichter Majestät,
Ein stolzer Heldenreigen.

Und hinter ihm geschirmt am Rain
Die Saaten schwellen und gedeihn;
Für uns, für unsre Güter,
Hast Du geblutet in der Schlacht:
Dank dir für deine treue Wacht,
Du grüner Landeshüter!

 

Ein Moment.

Es ist die Zeit der Rosen,
Die Zeit, wo jede Wange glüht,
Und wo die ruhelosen,
Die bunten Falter kosen
Levkoy und Nelke, kaum erblüht;

Die Zeit, wo alte Treue
Und junge Liebe süßer schmeckt,
Wo endlos sich die Bläue
Des Himmels dehnt und neue,
Endlose Sehnsuchtsträume weckt;

Wo grün auf Thal und Wiesen
Den Blumenteppich über Nacht
Der Frühling läßt ersprießen,
Wo alle Bronnen fließen,
Zu neuem Leben augewacht;

Wo in der Meereswüste
Ein Lüftchen, tausend Meilen weit,
Dem Schiffer, den es küßte,
Bringt Grüße von der Küste,
Vom Lenz und seiner Herrlichkeit;

Wo tief im Bergesschlunde
Der Bergmann ahnt, wie jede Kluft
Durchrauscht die Frühlingskunde:
Den Finger an dem Munde
Horcht er der Stimme, die ihm ruft.

An solchem lichten Tage
Hat wieder an mein Herz gepocht
Die alte Liebessage,
Und wie mit einem Schlage
Aufflammt der halberloschne Docht.

Ein Mädchen kam gegangen,
Schlank, schön umlockt von blondem Haar,
Mit apfelrothen Wangen - -
Ich weiß, für mich nicht prangen
Die Lippen, dieses Augenpaar.

Ein Andrer wird die weichen
Kußhändchen drücken an den Mund,
Zurück wird er dir streichen
Die Locken und erschleichen
Den ersten Kuß in süßer Stund'.

Heil deinem rothen Munde!
Hell scheine, wie sie heute lacht,
Die Sonne Eurem Bunde!
Dank dir - für eine Stunde
Hast du mich wieder jung gemacht.

 

Wiegenlied.

Die Biene wiegt sich im Schooße
Der Blüthen und kost sich satt,
Der Schmetterling auf der Rose,
Der Käfer auf dem Blatt.

Der Tannenwipfel im Winde
Wiegt sich in würdiger Ruh,
Der Fink auf der blühenden Linde
Wiegt sich und trillert dazu.

Am Grashalm hängt und wiegt sich
Ein Tropfen Morgenthau,
Ans blaue Gebirge schmiegt sich
Leis schütternd des Himmels Blau.

Mein Herz, auf Liebeswogen
Wiege dich selig auch du,
Schon hundertmal betrogen
Liebe nur, hoffe nur zu.

 

Ein Ehepaar.

Dort kommt ein Pärchen, Mann und Weib,
Sie reisen viel hundert Meilen,
Zu suchen einen Zeitvertreib:
Sie werden ihn nicht ereilen.

Sie werden los nicht ihre Qual,
Die Reichen, Die Blasirten,
Was gäben sie drum, wenn sie einmal
Sich wirklich amüsirten!

Sie haben ihre liebe Noth
Fein richtig nachzuzählen
Die Stunden des Tags dem lieben Gott
Und sie ihm abzustehlen.

 

Des Grafen Töchterlein.

Ich sehe sie jeden Morgen,
Des Grafen Töchterlein,
Und seufze: O wärst du geborgen,
Du Feenkind, vor Pein!

Du duftig zarte Pflanze,
Lieb Mädchenangesicht,
Schwimmend im Mondscheinglanze -
Genesen wirst du nicht.

Wer sind sie, die dir stahlen
Die Farbe vom Gesicht,
Du Rose, der es an Strahlen,
An Thau und Duft gebricht?

Ich schaue dich an mit Trauern,
Wie dich der Tod umspinnt -
O wärst du eines Bauern
Frisch rothgebräuntes Kind!

 

"Nur elastisch."

An Bertha.

"Elastisch, nur elastisch!" -
Weißt du, wie wohl es uns gefiel
An jenem grünen Gasttisch
In Wildbads traulichem Asyl!
Elastisch, nur elastisch,
Wie jener Wellen warmer Pfühl!
Erfrischend, heilgymnastisch
Wirkt selbst der Schmerz am Ziel.
Empfindsam oder plastisch,
Modern, antik - gleichviel:
Wahr immer, nie phantastisch,
Noch weniger bombastisch -
So schaun wir mild sarkastisch
Herab auf all das Narrenspiel.

 

Beeren und Lieder.

Alle Tage, alle Tage
Komm' ich zu dem Erdbeerschlage,
Und so viel ich schon genossen,
Immer neue seh' ich sprossen;
Eh' die rothen sind gepflückt,
Kommen die grünen nachgerückt.

Lieder nur und wieder Lieder
Schüttelt mir der Sommer nieder.
Was ich singe, was ich bringe,
Lieder sind's, geringe Dinge;
Wollte Gott, sie schmeckten dir,
Leser, wie die Beeren mir.

 

Durch wildverworrene Gänge.

Durch wildverworrene Gänge,
Mit manchem guten Streich
Drang aus des Gestrüppes Enge
Ich durch zum sonnigen Reich.

Da seh' ich Wogen sich kräuseln,
Da funkelt ein klarer See,
Und südliche Lüfte säuseln
Vom Herzen mir alles Weh.

Die peinlichen Räthsel und Fragen
Zerfließen wie Wellenschaum,
Ich weiß nicht mehr zu sagen,
Was Wahrheit und was Traum.

Kaum daß noch Blätter sich regen,
Die Dämmerung wogt daher;
Die Seele fluthet entgegen
Dem Allerseelenmeer.

 

Gute Stunden.

Wie fließen so leicht die Stunden dahin,
Wie die goldenen Wolken im Blauen,
Die über meinem Haupte ziehn!
Welch Leben in Wäldern und Auen!

O süße Lüfte, die mir Brust
Und Stirn und Wangen bespülen,
O unausprechlich süße Luft,
Zu seyn, zu sehn, zu fühlen!

Vier Wochen Ruhe auf ländlicher Flur -
Ich habe mich wieder gefunden:
Bei Vater Homer und Mutter Natur -
Wer müßte da nicht gesunden?

 

Abschied.

An eine Freundin.

Du ziehst nun heim zu deinen Lieben,
Du fehlst uns, wo wir gehn und stehn.
Bald werden wohl auch wir zerstieben,
Wie du, so werden alle gehn.
Und doch, wozu die trübe Klage?
Wir waren froh und aufgeräumt.
Vergiß sie nie die schönen Tage,
Die wir in diesem Thal verträumt.

Wir wußten: kurz ist unser Bleiben,
Mann kannte sich beim ersten Wort.
Wie lange währt es auch, so treiben
Uns finstre Mächte wieder fort.
Die Antwort folgte schnell der Frage,
Die Freundschaft schloß sich ungesäumt.
Vergiß sie nie die schönen Tage,
Die wir in diesem Thal verträumt.

Wir tranken gern der Wälder Frische,
Uns lachten tannengrüne Höhn,
Und sank der Tag am runden Tische,
Wir war der Abend traulich schön!
Fern, ferne lag uns Gram und Klage,
Oft hat der Becher uns geschäumt.
Vergiß sie nie die schönen Tage,
Die wir in diesem Thal verträumt.

Der Freude Blumen uns zu pflücken,
Die jeder Tag uns reichlich bot,
Wie gerne mochten wir uns bücken!
Der Augenblick war unser Gott.
Noch immer schwankt des Kampfes Wage,
Wie auch das Roß der Zeit sich bäumt.
Vergiß sie nie die schönen Tage,
Die wir in diesem Thal verträumt.

 

© Dr. Rüdiger Krüger, Rheda-Wiedenbrück 2006
Kontakt: mailto:siegfriedcarl@hotmail.com
letzte Änderung: 03.05.00

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