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LUDWIG SEEGER

Poet - Publizist - Politiker

geb. 30. Oktober 1810 in Wildbad
gest. 22. März 1864 in Stuttgart

 

ANNALEN

 

1810ff

Ludwig Friedrich Wilhelm Seeger wird am 30. Oktober abends nach 5 Uhr in Wildbad geboren; in diesem Jahr ist Justinus Kerner praktischer Arzt in Wildbad. Am 5. Nov.: Taufe in Wildbad

Der Vater Ludwig Seeger ist Präzeptor und Reallehrer in Wildbad (29. August 1776 in Schwann - 8. März 1843 in Wildbad), aus einer Wirtsfamilie in Schwann stammend. Die Mutter Friedericke Gottliebin Seeger (26. Dezember 1778 - 27. Februar 1841, Eheschließung am 21. Oktober 1804 in Wildbad) ist die Tochter des Wildbader Diakonus Wilhelm Heinrich Zeller, der von 1768-80 sein Amt, dem auch die Gemeinden Calmbach und Höfen unterstanden, in Wildbad versah, bis er Pfarrer in Rothfelden wurde.

Die Familie stammt väterlicherseits aus der Hochfläche zwischen dem oberen Enz- und Nagoldtal. Die Schwarzwälder Linie der Seegers lässt sich bis in das 16. Jahrhundert zurückführen. Der Stammvater Konrad Seeger kann mit seinem Sterbejahr 1571, dessen Nachfahren Hans Seeger (1535 - 1608), Konrad Seeger (6. April 1561 - 1635) und dessen gleichnamiger Sohn Konrad Seeger (2. Mai 1609 - 25 Februar 1662) in Martinsmoos, und in der nächsten Generation Johann Georg Seeger (29. Mai 1657 - 19. Januar 1733) in Gaugenwald nachgewiesen werden. Der Urgroßvater Ludwig Seegers, Johann Georg Seeger (4. April 1689 in Gaugenwald - 12. Dezember 1751 in Schwann) heiratet am 21. Mai 1715 in die Bäckerfamilie Stiess in Schwann ein und eröffnet dort eine Wirtschaft, die der Sohn Konrad Seeger (24 März 1740 - 28. August 1782) als Metzger und Ochsenwirt fortführt. Erst dessen Sohn Ludwig, Vater unseres Ludwig Seeger, ist dann erstmals in Wildbad nachzuweisen.

Bleiben wir noch ein wenig bei Ludwig Seegers Familie, da die Beziehungen ein interessantes Schlaglicht auf das ausgehende 18. und die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts werfen.

Ludwig Seeger hat drei Schwestern und drei Brüder:

Luise Friedericke Seeger (12. August 1805 - 29. August 1883), sie heiratet 1831 den bekannten Stuttgarter Professor Christian Daniel Kielmeyer (24. März 1794 - 30. Juni 1876) als dessen 2. Frau und lebt mit diesem und ihren beiden Söhnen in Stuttgart.

Wilhelmine Regine Seeger (14. Februar 1807 - 21. August 1855) unverheiratet.

Friedericke Henriette Seeger (7. November 1803 - 8. September 1872), sie heiratet am 15. September 1840 den nachmaligen Wildbader Stadtschultheiß (ab 1846) Oskar Friedrich Seeger (20. Juli 1811 bei Paris - 6. Dezember 1848 in Ravensburg). Der früh verstorbene Ehemann entstammt der jüngeren Walddorfer Seeger-Linie, die berühmte Schwaben hervorgebracht hat, u.a. den Generalleutnant und Intendanten der Karlsschule (von der Gründung 1770 als Erziehungsanstalt für arme Soldatenkinder, über die Umwandlung zur Militärakademie 1773 und als Landesuniversität 1781, bis zur Aufhebung 1794) in Stuttgart, in welcher zu seinen Zöglingen auch Friedrich Schiller zählte.

Gustav Wilhelm Heinrich Seeger (9. Mai 1812 - 8. September 1856), der Wildbader Kaufmann heiratet am 27. August 1840 Franziska Seeger, geb. Sigelen und lebt mit ihr und der einzigen Tochter Pauline in Wildbad.

Adolph Wilhelm Seeger (13. Mai 1815 - 15. September 1865) in erster Ehe verheiratet mit Pauline Seeger, geb. Fischer aus Tübingen; nach deren frühem Tod (13. Februar 1848) heiratet er ihre sieben Jahre jüngere Schwester Luise. Mit beiden Frauen hat er je einen Jungen und ein Mädchen. Adolph Seeger, promovierter Jurist und Rechtsanwalt in Stuttgart, wäre eine eigene Behandlung wert. Als Richter, Regierungsrat, Stadtdirektor in Stuttgart, und nach 1848 als freischaffender Anwalt, war er der politischste Kopf der Familie Seeger. 1448 bis zu seinem Tod war er mit Ausnahme der Jahre 1856-61 Mitglied der Württembergischen Landesversammlungen und des Landtags, zuerst für Neuenbürg und am Ende für Freudenstadt. Er war mehrere Jahre Führer der liberalen Partei Württembergs und kämpfte mit seinem Bruder Ludwig als Weggenosse für die Einigung Deutschlands und gegen den Partikularismus der Kleinstaaten. Sein soziales Engagement und sein juristischer wie kaufmännischer Sachverstand machten ihn zum Mitgründer und Rechtsrat der Lebensversicherungs- und Ersparnisbank in Stuttgart.

Eduard Heinrich Paul Seeger (23. Februar 1821 - 19. März 1845), er stirbt als stud.iur. ledig.

Ludwig Seeger besucht als Knabe den Unterricht in Wildbad bei seinem Vater und bei Diakonus Johann Jakob Seybold, welcher von 1820-28 der letzte Wildbader Diakon war, bevor diese Stelle nach kgl. Dekret vom 11. Juni 1828 aufgehoben, d.h. in die Pfarrei Calmbach umgewandelt wurde.

Die schwere, ja wuchtige Gestalt und seine markige, manchmal derbe Art soll Ludwig Seeger vom Vater haben, die musisch-lyrische Begabung soll Erbteil seiner Mutter sein.

Ludwig Seeger wird für eine theologische Laufbahn vorgesehen. - Man wird sehen, wohin ihn dieser elterliche Wunsch führen wird. Er erhält ersten Unterricht beim Vater und bei Diakonus Johann Jakob Seybold.

 

1822

Ab dem 12. Lebensjahr besucht Ludwig Seeger die Lateinschule Calw, er hat v.a. bei Präzeptor Schwarz Unterricht.

 

1824

Nach dem Landschulexamen Übergang ins evangelische Seminar Schönthal, der Vorbereitung zum Eintritt in das Tübinger Stift. Schon in Schönthal beschäftigt sich der aufgeweckte Schüler intensiv mit dem Griechischen - ja entwickelt eine große Liebe zu dieser Sprache.

 

1827

Vermutlich erste Gedichtveröffentlichung: "Wir sind ein festgeschloßner Bund", in: "Neuer Liederkranz, gewunden für Fröhliche" hg. J.H.Schulze (Tübingen), S.465f; das Gedicht wird später von Friedrich Silcher und Carl Geißler vertont und in zahllose Liedersammlungen aufgenommen.

 

1828

Ludwig Seeger wird am Tübinger Stift aufgenommen.

Dort betreibt er neben den theologischen Vorlesungen, die zum Pflichtprogramm der Stiftler zählen, philologische Studien antiker Klassiker; Enzyklopädie der griechischen und römischen Klassiker bei Prof. Tafel; Euripides und Aristophanes, dem lange seine Arbeitskraft gewidmet sein wird, beim Repetenten Ludwig. Daneben zudem private Beschäftigung mit dem Französischen und Englischen.

Er gehört bis zum Beginn von Disziplinierungsmaßnahmen wegen 'Übertretungen der Disziplinargesetze' des Stifts - er war sich jedoch keiner moralischen Schuld bewußt und fand die Strafen als ungerecht - zu den Besten seiner Promotion., d.h. seines Studienjahrgangs.

Beginn eines regen Freundeskreises (Friedrich Richter, Rudolf Kausler - mit dem ihn die engste Freundschaft verband - , Hermann Kurz im letzten Stiftsjahr, u.a.), der im späteren Leben vielfältige Anregungen gibt. Beinahe alle Freunde wirken im literarischen und politischen Leben Württembergs vor, während und nach der 48er-Umwälzungen an exponierter Stelle mit. Hermann Kurz, Übersetzer, Lyriker, Romancier, Literarhistoriker und politischer Publizist, ist beispielsweise seit April 1848 Redakteur, ab Juni 1849 stellvertretender Chefredakteur und ab Januar 1851 bis Ende 1854 Schriftleiter des "Beobachters", des wichtigsten Blattes der liberal-demokratischen Opposition in Württemberg.

 

1830

Im Sommersemster Vorlesung über französische Sprache bei Prof. Decker.

Nach mehreren Disziplinarstrafen freiwilliger Austritt aus dem Stift. Die Regelübertritte, deren sich Ludwig Seeger schuldig gemacht hat, sind typisch für das Aufbegehren eines Zwanzigjährigen gegen nicht einsehbare Regeln. Beispielsweise lässt er sich zum Essen, das schweigend eingenommen einer Abfütterung gleicht, krank melden, um allein sein zu können; und er lässt sich dann des Nachts an einem Seil zum Fenster herunter, um wenigstens kurzzeitig die Freiheit von ständiger Aufsicht und Bevormundung zu genießen. Solche und ähnliche Regelübertritte werden in der strengen Zuchtanstalt schärfstens geahndet - sie sind jedoch im Stift auch bei den Kommilitonen keine Ausnahme, wie die Lebenswege von und -berichte über Zeitgenossen zeigen (vgl. beispielsweise Georg Herwegh!).

 

1831

Seit diesem Jahr beginnt die Beschäftigung mit der Übersetzung griechischer Lyriker, des Aristoteles und des Sophokles, wenn wir die Seegersche Äußerung von 1843, er arbeite seit zwölf Jahren an diesen Eindeutschungen, ernst nehmen dürfen.

 

1832

Eintritt Ludwig Seegers in Ludwig Uhlands Stilistikum, dem Beginn des heute von Walter Jens besetzten Rhetorik-Lehrstuhls der Tübinger Universität, im Sommer 1832. Dort darf er erste literarische Versuche vortragen, die ihm Lob des großen Lehrers und Vorbildes eintrugen.

Im Sommer des Jahres legt Ludwig Seeger die 1. theologische Prüfung ab; wegen finanzieller Schwierigkeiten nach dem Austritt aus dem Stift (keine freie Kost und Logis mehr etc.) ein Jahr vor seinen Kommilitonen.

In der "Neckar=Harfe", herausgegeben von Friedrich Richter bei Osiander in Tübingen, erscheint die erste umfangreichere Auswahl von 21 Gedichten.

 

1833

Ludwig Seeger ist seit der 1. theologischen Prüfung bis zum Frühjahr nicht einmal ein Jahr Vikar in Wildberg, nahe seinem Geburts- und Heimatort Wildbad. Sein Wunsch, als Nachfolger von Christoph Wilhelm Heinrich Cotta als Amtsverweser auf die Pfarrstelle Wildberg berufen zu werden, erfüllt sich nicht, da er die äußeren Bedingungen eines einjährigen Vikariats noch nicht erfüllt. Karl Georg Haldewang wird ihm vorgezogen. Ludwig Seeger quittiert enttäuscht den Kirchendienst, der ihm nie rechte Erfüllung geben konnte.

Wir finden Ludwig Seeger die nächsten zweieinhalb Jahre als Hauslehrer in Geifertshofen bei Gaildorf in der Pfarrfamilie Cellarius. Neben der eigentlichen Aufgabe der Erziehung und schulischen Unterweisung des achtjährigen, einzigen Knaben des Pfarrers gehört zu seinen Aufgaben die Mithilfe in der Pastoration, d.h. er ist letzthin nochmals in kirchlichen Diensten, wenn auch nicht fest bestallt.. Die nicht einfache Doppelbelastung führt er, wie Pfarrer Cellarius ihm bescheinigt, mit größtem Fleiß und Pünktlichkeit, d.h. zur besten Zufriedenheit aus.

Mehrere Besuche bei seinem Freund Kausler in Gaildorf.

Neben den Verpflichtungen als Hauslehrer Arbeit an seiner Doktorarbeit, an Übersetzungen des Platon und Sophokles.

 

1835

Erste Gedichtveröffentlichungen in mehreren Ausgaben des Cotta'schen "Morgenblatts", in welchem er Zeit seines Lebens, v.a. in den 50er Jahren oftmals publizieren wird.

 

1836

Mai: Umsiedelung nach Stuttgart, dort enge Kontakte zu Hermann Kurz, der bei der Hallbergerischen Verlagshandlung, für die Seeger auch einige Aufgaben übernommen hat, als Übersetzer arbeitet.

Ludwig Seeger kommt wiederum als Privatlehrer unter (auf Vermittlung seines väterlichen Freundes Gustav Schwab).

Studien der englischen und französischen Sprache. Beschäftigung mit dem 'Jocelyn' von A. de Lamartine (wohl auf Anregung von Gustav Schwab und Hermann Kurz).

November: Hauslehrer der Familie Fischer-Graffenried in Wabern bei Bern, die Stelle dürfte auf sein gutes Zeugnis des Pfarrer Cellarius und die Empfehlung Schwabs zurückgehen - er hatte mehrere gute Angebote von Hausmeisterstellen, unter denen er sich die in der Schweiz aussuchte -; dort Unterrichtung eines Jungen. Die Tätigkeit gibt Ludwig Seeger viel Zeit für eigene Studien.

Die Übersiedelung nach Bern hatte wohl auch massive politische Gründe, der unerträglichen Situation im damaligen Württemberg in das liberaler gesonnene Bern zu entfliehen; wobei die Absicht, die Französischkenntnisse zu vervollkommnen, sicher mitgespielt haben dürfte.

Er trifft sich wöchentlich mit den in die Schweiz nach Bern emigrierten Schwaben; wobei Seeger wohl besonders engen Kontakt zu Rudolf Lohbauer gepflegt hat, der nach Bern geflüchtet war und dort als Professor der Militärwissenschaften lehrte.

Ab dieser Zeit intensive Beschäftigung mit den verstreut erschienenen und erscheinenden Gedichten/Liedern Bérangers, des damals berühmtesten französischen Lyrikers, den man als polemischen, alle politischen und sozialen Probleme seiner Zeit in scharfe, ja zum Teil verletzende Strophen gießenden Liedermacher bezeichnen kann.

 

1838

Ludwig Seeger wird erster Lehrer des Lateinischen und Griechischen, später auch Deutschen, in Bern in der oberen Abteilung der Realschule, die als Vorbereitung zum höheren Staatsgymnasium dient.

Häufige Besuche, vor allem in den Ferien, in der Heimat, d.h. in Wildbad, wo seine Familie, Eltern und Geschwister weiterhin wohnen.

 

1839-41

Veröffentlichung der Übersetzung von Berangers Gedichten unter Pseudonym: "In den Versmaßen des Originals verdeutscht durch L. S. Rubens" (wobei die Initialen L. S. eindeutiges Indiz auf seine Person sind), bei Christian Fischer in Bern in drei Bänden erschienen. Die Übersetzung ist die vollständigste der Werke Berangers, sie übersteigt im Umfang bei weitem die Vorgänger von Chamisso, Gaudy und Nathusius. Es wird an der Seegerschen Übersetzung, v.a. auch der erweiterten und umgearbeiteten 2. Auflage von 1859, die Nähe zum Original gelobt, sowohl, was die poetische Form als auch die Übersetzung von Bildern und lautmalenden Formen und die Frische, ja Direktheit der Sprache angeht. Trotzdem haben ihm viele seine auf die in den überall erscheinenden Musenalmanachen versammelten Gedichte gemünzten einleitenden Sätze der Vorrede übelgenommen (sie sind in der zweiten Auflage nicht wiederholt worden!): 'Die deutsche Lyrik ist nachgerade etwas duselig geworden. Werfen wir wieder etwas guten derben Pfeffer in die breite, fade Sauce, womit sich die Deutschen seit Jahren den Magen verschlammt haben.'

 

1840

Ludwig Seeger beschäftigt sich in den ausgehenden Dreißigern außerdem intensiv mit Übersetzungen englischer Lyrik. Ein ganzes Heft mit Übersetzungen der Lieder Thomas Moores ist bekannt, die mit der gleichen Exaktheit wie bei Beranger in Bezug auf Form und Sprache dem Original kongenial gerecht werden.

 

1840-1846

Ludwig Seeger ist an demokratisch-liberalistischen politischen Aktionen in der Schweiz beteiligt (gegen die Tyrannei von Neuhaus), die ihn zeitweise in ärgste Bedrängnis bringen, jedoch nach Durchsetzung der liberalen Vorstellungen positiv ausgehen, eine drohende Ausweisung bleibt ihm erspart.

 

1841

Ein Versuch von Hermann Kurz, Seegers Moore-Übersetzungen bei Cotta unterzubringen, scheitert. Nur wenige Beispiele erscheinen im "Morgenblatt". Ludwig Seeger scheint in diesem Jahr auch eine Übersetzung (zumindest eines Teils) des Ariost fertiggestellt zu haben, denn Kurz berichtet zu seiner eigenen, erschienenen Übersetzung: 'Leid ist mirs, daß Seeger einen Gesang des Ariost übersetzt hatte, als der meinige erschien. Er hätte besser dazu getaugt.' Ein weiteres Beispiel dafür, welcher Wertschätzung sich die übersetzerischen Leistungen Ludwig Seegers bei den im gleichen Metier tätigen Zeitgenossen schon lange vor der berühmten Aristophanes-Übersetzung erfreuten.

 

1842

Eheschließung mit Pauline Zeller (10. Januar 1819 - 15. März 1892), Tochter des Obermedizinalrats Dr. Zeller aus Stuttgart.

Zwei Söhne, Max (4. März 1843) und Moritz (2. März 1844) entstammen dieser sehr glücklichen Ehe. Ohne den familiären Halt hätte Ludwig Seeger seinen vielfältigen Neigungen nicht nachgehen und in seinem relativ kurzen Leben keine solch breite Wirkung literarischer und politischer Art entfalten können.

 

1842-47

Karl Borbergs 8-bändige Auswahl der klassischen Literatur erscheint bei Karl Göpel in Stuttgart: "Hellas und Rom - Eine Vorhalle des klassischen Altertums in einer organischen Auswahl aus den Meisterwerken seiner Dichter, Geschichtsschreiber und Philosophen". Borberg ist als Professor für Geschichte und Latein Kollege Ludwig Seegers an der Berner Realschule.

Die Auswahl enthält in den beiden ersten Bänden mehrere Übersetzungen Ludwig Seegers:

'12 Anakreonteen', die 'erste olympische' und 'siebte pythische Ode' Pindars, sowie die ganze 'Elektra' des Sophokles. In Seegers Nachlass scheinen sich größere Teile einer vollständigen Sophokles-Übersetzung befunden zu haben, die aber wohl nie vollendet wurden.

 

1843

Die Lyrische Sammlung: "Der Sohn der Zeit. Freie Dichtung" erscheint im Verlag des Litterarischen Comtoirs in Winterthur. Sie ist unterteilt in zwei Rubriken mit Natur- und Liebeslyrik, "Lieder der Dämmerung" und "Lieder des Morgens", und einer Rubrik mit politischen Gedichten, "Lieder des Tages". Die Sammlung enthält ca. 150 Gedichte.

 

1844

"Politisch=soziale Gedichte von Heinz und Kunz" anonyme Gedichtsammlung (zusammen mit August Becker) erscheinen im Verlag Jenni, Sohn in Bern. Bei diesen Texten lässt sich auf Anhieb nicht immer feststellen, welcher Text von Becker und welcher von Seeger stammt. Schaut man sich jedoch die behandelten Gegenstände an, und dringt man tiefer in den Stil Ludwig Seegers ein, so sind die meisten Zuordnungen relativ leicht. Die Texte sind sehr direkte, ohne viel Umschweife politische Zustände, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens kritisierende Gedichte, die zumeist mit einem deutlichen Augenzwinkern versehen sind.

"Die Schweiz" bei P. Balz in Stuttgart als dritter Band von "Die Wanderer um die Welt. Länder- und Völkerkunde in Reisebeschreibungen" erschienen. Obwohl nirgends ein Hinweis auf den Autor des Bandes angegeben ist, so muß die Verfasserschaft Ludwig Seegers aus eingestreuten Gedichten, die unzweifelhaft von ihm sind, sowie aus den überlieferten Äußerungen eines Verwandten mit einigem Recht angenommen werden.

Diese Reisebeschreibung in Briefform, die v.a. als Belehrung der Jugend gedacht war und eine dementsprechende, unterhaltende, doch stets direkte Diktion anschlägt, ist die Frucht vieler sehr ausgedehnter Wanderungen und Reisen - v.a. auch mit seiner Frau - durch die Schweiz, oder besser gesagt durch weite Teile der deutschsprachigen Schweiz. Sein unstillbares Interesse an allem Neuen lässt ihn beispielsweise an der Vermessung des Aaregletschers durch Agassiz teilnehmen und er wohnt einige Zeit mit seiner Frau im Stammlager des Vermessungstrupps auf der Grimsel.

Dass er sich jedoch trotz des langen Aufenthalts in der Schweiz dort letzthin nie recht heimisch fühlte, lässt eine knappe Zwischenbemerkung erahnen: 'Deutsche, die z.B. in Bern jahrelang leben, haben mich versichert, dass sie sich fast so fremd hier fühlen, als bei ihrem Eintritt in die Schweiz'.

 

1844-48

Ludwig Seegers größte Übersetzerleistung aus dem Griechischen, die reifste Frucht seiner Beschäftigung mit den Klassikern des Altertums, erscheint: 'Vollständige Übersetzung des Aristophanes' in drei Bänden bei Rütten in Frankfurt. Diese Übersetzung, der Seeger eine breite Einleitung und ausführliche Anmerkungen zu allen wichtigen Details beigibt, ist heute noch für Aristophanes weiterhin gültig, sie ist Grundlage der Ausgaben bei Insel, Artemis, Reclam etc.

Die Maxime der Aristophanes-Übersetzung, ja aller Übersetzungen Ludwig Seegers, formuliert er in seiner "Epistel an einen Freund als Vorwort" wie folgt: 'Streng müssen wir sein wie Voß, aber nicht pedantisch, frei wie Wieland, aber nicht willkürlich.' Und wenn er das Metrum in den Dialogen vom originalen Trimeter in deutsche fünffüßige Jamben tauscht, so ist seine Begründung in einer weiteren Maxime für den Übersetzer zu finden, der stets versuchen muss, 'den gleichen oder doch einen ähnlichen Eindruck hervorzubringen, den der Rhythmus des Originals auf das Ohr des Griechen hervorbrachte', und dieser Eindruck ist eben in der Tradition der Versmaße im deutschen Drama in Dialogen nicht durch den bei uns nur im schweren Stil, zum Ausdruck besonderer Feierlichkeit vorkommenden Trimeter zu erreichen.

Auch im Sprachlichen stellt die Übersetzung etwas besonderes dar. Nicht nur, dass der dem Aristophanes eigene Sinn für Komik und Humor, ja teilweise für sarkastische Äußerungen im Tonfall überaus gut getroffen wird; selbst in Feinheiten, wie der Behandlung der unterschiedlichen Dialekte zeichnet er sich gegenüber anderen Übersetzungen seiner Zeit aus. Bei Aristophanes sprechen die aus bäuerlichen Gegenden oder anderen Städten als Athen stammenden Personen ihren eigenen, derben Dialekt, der besonders kontrastierend gegenüber der Standardsprache der gebildeten Stadtmenschen wirkt. Seeger lässt die antiken Spartaner in Hochalemannisch, d.h. in Berner Deutsch, die Magarer Nordschwäbisch, so wie im Unterland, und die Böotier Südschwäbisch, wie im Oberland sprechen.

Wie all seine Übersetzungen, so ist auch diese letzthin eine didaktisches Unternehmen. Die Kulturen fremder Völker, oder besser, das Beste, Höchste aus deren Kulturerbe will er der deutschen Kultur gewinnen. 'Alle Werke des Menschengeistes sind das Erbe der Nationen, vor allem der deutschen. Denn keine hat es sich so sauer werden lassen, sich zu einer Freiheit zu erziehen, für die man sie doch immer noch nicht für reif halten will.'

 

1846

Am 11. September wird Ludwig Seegers Habilitation unterzeichnet. Neben der Tätigkeit als Lehrer an höheren Schulen wird er Privatdozent für alte und neuere Literatur, dabei v.a. für deutsche Sprache und Literatur an der Berner Universität. Er hält vom Herbst dieses Jahres an bis zum Frühjahr 1848 u.a. Vorlesungen über Aristophanes, Demosthenes und Sophokles, sowie über deutsche Literatur- und Kulturgeschichte, Ästhetik, den "Faust" Goethes und das "Nibelungenlied". Er liest neben seiner Tätigkeit an der Realschule zwischen sechs und elf Wochen-Stunden pro Semester an der Universität - ein wahres Mammutprogramm an Lehre.

 

1847

Am 17. Februar wird die Lehrbefugnis auch auf die Ästhetik ausgedehnt.

Ludwig Seeger wird als Pädagoge und Vermittler philologischer Sachverhalte sehr gelobt. V.a. sein kritischer, wacher Verstand, den Dingen auf den Grund zu gehen, seine anregende Art der Vermittlung, ja seine begeisternde Wirkung auf die Schüler bzw. Studenten wird von Zeitgenossen gerühmt. Auch das Zeugnis der Berner Schuldirektion für seine geleistete Arbeit ist hervorragend und unterstreicht seine Begabung für das Lehramt.

Arnold Ruge veröffentlicht seine Sammlung "Die politischen Lyriker unserer Zeit", in welcher neben Fallersleben, Freiligrath, Gottschall, Anastasius Grün, Heine, Herwegh, Keller, Lenau, Meißner, Platen, Prutz, Sallet und Uhland auch eine beträchtliche Auswahl von Gedichten aus Ludwig Seegers "Ein Sohn der Zeit" enthalten ist. Dies zeigt neben anderem die Wertschätzung, die v.a. der politischen Lyrik Ludwig Seegers in demokratisch gesinnten Kreisen entgegengebracht wurde.

 

1848

Offene politische Parteinahme für Georg Herweghs "Deutsche Demokratische Legion" durch Organisation einer Kundgebung. Einen großen Rückschlag erlebten die revolutionären Hoffnungen durch den militärischen Schlag der württembergischen Truppen gegen den traurigen Rest der "Legion" bei Niederdossenheim. Dies ist wohl auch der Grund, warum Ludwig Seeger die für das Sommersemester des Jahres angekündigten Vorlesungen an der Berner Universität nicht mehr gehalten hat, und warum wir eine knappes halbes Jahr nicht viel über seinen Verbleib sagen können.

Wohl wegen der Hoffnungen auf Liberalisierung der politischen Ordnung im Königreich Württemberg im Gefolge der 48er-Bewegung sowie der anstehenden Neuordnung im Deutschen Reich Übersiedelung Ludwig Seegers mit Familie in der Mitte des Jahres nach Stuttgart und gleich darauf nach Ulm. Ludwig Seeger setzt im Gegensatz zu Herweg, der den Gedanken von Karl Marx, Ludwig Feuerbach und Bakunin nahe steht, auf eine parlamentarische Opposition.

In Stuttgart, wo seit diesem Jahr sein Bruder Adolph Seeger Stadtdirektor ist, ein liberaleres Ministerium über die Aufnahme in den Lehrdienst entscheidet, der väterliche Freund und Gönner Gustav Schwab seit 1845 Mitglied des Studienrats ist und der Freund des Lehrers Uhland, Paul Pfitzer im Ministerium an entscheidender Stelle amtiert, hofft Ludwig Seeger ein Lehramt an einer höheren Schule in Württemberg oder an der Universität Tübingen zu erhalten. Die Hoffnungen erfüllen sich nicht, der Bruder und der väterliche Freund scheinen eher erschreckt als erfreut über sein plötzliches Auftauchen samt Familie.

Umzug nach Ulm.

Ludwig Seeger wird in den Landesausschuss der württembergischen Volksvereine vom 15. Oktober gewählt; so kurz zurück in Württemberg lehnt er die Wahl ab.

Ab dem 5. Dezember ist er verantwortlicher Redakteur der "Ulmer Schnellpost".

 

1849

Ludwig Seeger wird als Mitglied des Landesausschusses der württembergischen Volksvereine vom 15. Mai gewählt; im Gegensatz zu 1848 nimmt er die Wahl an und wirkt seither in den verschiedensten freiwilligen Ämtern (sowie als Abgeordneter) für die Volksvereine. In den Landesausschuss vom 15. Juli wird sein Bruder Adolph gewählt, der diese Wahl nach Bericht des "Beobachters" vom 28. Juli aus politischen Gründen ablehnt. Adolph Seeger ist zudem Mitglied des Wahlausschusses der Volkspartei vom 6. Juli.

Ludwig Seeger muss sechs Wochen Haft auf dem Asperg wegen "Schmähung der Ehre der Staatsregierung" antreten; vom Vorwurf der "Majestätsbeleidigung" wird er freigesprochen: vgl. das Urteil des Criminalsenats am Gerichtshof Ulm vom 26. September 1849 wegen eines polemischen Leitartikels in der "Schnellpost". Nun ist die Haft auf dem Asperg nicht mehr der Schreckensort, der im vorangehenden Jahrhundert Schubart gebrochen hatte. So bedankt sich Ludwig Seeger beispielsweise bei seinen Ulmer Freunden über die Übersendung eines Fässchen Biers, das er mit Mitgefangenen in fröhlicher Runde geleert habe.

Ab den ausgehenden Vierzigern tritt er mehr und mehr als politischer, kritisch-liberaler Redner hervor. Gerühmt wird seine scharfe, geradlinige Argumentation, die ohne Umschweife aber auch äußerst geistreich auf den Kern der Sache zugeht, nicht ohne zuweilen derbe Töne anzuschlagen.

Vom 1. bis 22. Dezember ist Ludwig Seeger für die Ulmer Volksvereine, den Vorläufern der wenig später entstehenden politischen Parteien, Abgeordneter der "1. Verfassungsrevidierenden Landesversammlung des Königreiches Württemberg". Die Versammlung wird per königlichem Dekret vorzeitig aufgelöst.

 

1850

Vom 13. März bis 3. Juli Abgeordneter (für Ulm) der "2. Verfassungsrevidierenden Landesversammlung des Königreiches Württemberg". Nach einem weiteren Strafverfahren wegen des Abdrucks eines Korrespondentenberichts in der "Schnellpost" nochmalige sechswöchige Haft auf dem Asperg; der Haftantritt wird wegen der Teilnahme an den Sitzungen der Landesversammlung auf das Ende der Sitzungsperiode verschoben.

Keine Wiederwahl zur "3. Landesversammlung" - die Konservativen gewinnen das Mandat.

Nach Aufgabe seines Amtes als verantwortlicher Redakteur der "Ulmer Schnellpost" am 29. Dezember wieder Übersiedelung nach Stuttgart. Er hat in den zwei Jahren bei der "Ulmer Schnellpost" diese zu dem zweitwichtigsten Oppositionsblatt (nach dem unangefochten die erste Position einnehmenden "Beobachter") in Württemberg gemacht. Die Wertschätzung, die seiner Person sowohl als politischer Redakteur, wie als Redner und Volksvertreter entgegengebracht wird, zeigt sich in der regen Beteiligung an einer ihm zu Ehren abgehaltenen Abschiedsfeier am 27. Dezember. Von seiner zahlreichen Leserschaft verabschiedet er sich in der "Ulmer Schnellpost" u.a. mit folgenden Worten: 'Ich that, so hoffe ich, meine Schuldigkeit auf meinem Posten als Redakteur eines Volksblattes, wie in der öffentlichen Versammlung, vor dem Volksgericht wie auf der Tribüne als Volksvertreter.'

Neben seinen politischen Ämtern lebt Ludwig Seeger als freier Schriftsteller und Korrespondent verschiedener Zeitungen in Stuttgart. Bis zu seinem Lebensende wird er keine feste Stellung mehr einnehmen.

Er besucht in den Fünfzigern bis zu seinem frühen Tod häufig das heimatliche Wildbad, wo immer noch ein Teil seiner Familie lebt.

 

1851ff

Ludwig Seeger wird für die Volksvereine Abgeordneter des Oberamtsbezirks Waldsee im 1. Landtag des Königreiches Württemberg unter der erneuerten Verfassung vom Mai 1851 bis August 1855.

Mitglied der sog. 'Fortschrittspartei', der "Linken", der demokratischen Partei, die sich jedoch gegen die aufkommende Reaktion nicht durchsetzen kann und in entscheidenden Abstimmungen zumeist unterliegt.

Mitglied der Schulkommission, wobei ihm natürlich seine mehr als ein Jahrzehnt währende Lehrtätigkeit zupass kam.

Gegner der Wiedereinführung der 1849 aufgehobenen Todesstrafe.

Nach Wiedereinführung der Todesstrafe Gegner der geheimen Vollstreckung.

Gegner der Steuerexemption des Adels und der Gehaltserhöhung für Gesandte.

Gegner der Verlängerung des Cottaischen Privilegs auf Goethes und Schillers Werke (erste Ansätze zum heutigen Copyright).

Gegner des rigorosen Steuereinzugs und der harten Bestrafung der Armen.

Gegner der hohen Militärausgaben, da diese ja doch nicht für die Durchsetzung von demokratischen Prinzipien oder zum Wohl des Vaterlandes eingesetzt würden.

Für die Freiheit und Freizügigkeit des Gewerbes.

Für eine bessere Stellung der Volksschullehrer und Stärkung des Realschulwesens.

Für die Anerkennung der Deutsch-Katholiken und die Emanzipation der Juden.

Gegen kirchliche Herrschaftsgelüste und die Sonntagsheiligung.

Für das Anrecht der Gemeinden auf die Waldweide und den Waldstreu; wobei er sich auf sein Wissen um die schwierigen, oft ärmlichen Lebensverhältnisse der Schwarzwälder Heimat beruft.

Ludwig Seeger tritt, obwohl er ein äußerst regelmäßiger Besucher der Sitzungen ist - was schon damals durchaus nicht üblich ist - nur sehr selten als Redner in den Sitzungen auf. Allerdings ist es seine Begabung, verfahrene Diskussionen am Ende eines kontroversen Sitzungstags wieder in die Geleise zu setzen; bei komplizierten, allgemeinen Sachverhalten war er es, der durch treffenden Witz, die hochgehenden Wogen zu glätten verstand und Sachlichkeit in die Diskussion brachte.

 

1856

Ludwig Seeger und sein Bruder Adolph werden in den 2. Landtag, der von 1856 bis 1861 tagte, nicht wiedergewählt..

Nach früheren, vereinzelten Artikeln im Cotta'schen "Morgenblatt" nun erstmals wieder Gedichte in diesem für das gebildete Württemberg wichtigsten Publikationsorgan des 19. Jahrhunderts; bis 1862 ständige Mitarbeit (Gedichte/Essayistisches/Rezensionen etc.) Ludwig Seegers an diesem "Intelligenzblatt".

 

1857

Beginn der Shakespeare-Übersetzung für die von Dingelstedt geplante Neuausgabe. Bis zu Seegers Tod kann dieser den "Hamlet", "König Johann", "Thimon von Athen" und Teile des "Othello" fertig stellen.

Diverse Publikationen über Béranger im "Morgenblatt", die quasi eine Schaffens-Biographie in übersetzten Gedichten und Kommentaren dazu darstellt - als Vorbereitung auf seine in Arbeit befindliche zweite Auflage der Béranger-Übersetzung.

Durch eigene - nie recht ernst genommene - Gelenkprobleme oft ins heimatliche Wildbad geführt und dort mit den modernsten Behandlungsmethoden konfrontiert, widmet sich Ludwig Seeger in einem wissenschaftlichen Essay "Über Turnen und Heilgymnastik mit besonderer Beziehung auf das weibliche Geschlecht" im "Morgenblatt" dieser, der Jahn'schen Geräte-Turnkunst gegenüberstehenden, den natürlichen Körperbewegungen und -möglichkeiten angepassten gymnastischen Praxis, die er v.a. dem im Konzept Jahns vernachlässigten weiblichen Geschlecht empfiehlt. Er stellt hier der männerdominierten, auf künstliche Kraft-Körperbeherrschung ausgerichteten, nationalistisch ideologisierten Turnbewegung Jahns eine andere, natürlichere Gymnastik-Bewegung gegenüber und stützt explizit die aufkeimende Frauenturnbewegung, die es schwer hat, sich in der Gesellschaft des 19. Jahrhunderts zu entwickeln. Seine Definition krankengymnastischer Verfahrensweisen könnte sich im übrigen noch in einem heutigen Lehrbuch wiederfinden.

 

1859

Zweite, verbesserte und vermehrte Auflage "Bérangers Werke, deutsch von Ludwig Seeger" in zwei Bänden bei Frankh in Stuttgart. Diese Auflage bringt wesentliche Verbesserungen gegenüber der hochgelobten ersten. Er hat stets an seinen Übersetzungen weitergefeilt und war letzthin nie vollends zufrieden mit dem Geleisteten.

Artikel zu Victor Hugo im "Morgenblatt".

 

1860

Im "Morgenblatt" erscheint der Gedichtzyklus "Lieder und Bilder aus dem Badeleben", worin Ludwig Seeger seiner Heimatstadt ein leider später nie mehr erwähntes Denkmal, das Naturidylle mit Naturbeschreibung, Spott und Ironie sowie Sozialkritisches in die von ihm gewohnten formvollendeten Rhythmen und Reime gießt, in der Sprache wie stets offen, direkt und volkstümlich, jede Verkünstelung oder metaphorische Verdunkelung vermeidend. Seine augenzwinkernde Hymne auf die Heilgymnastin Bertha könnte zum Wahlspruch des heutigen Bad Wildbad werden: 'Elastisch, nur elastisch!'.

 

1860-61

Victor Hugo "Sämmtliche poetische Werke", übersetzt von Ludwig Seeger, in drei Bänden bei Rieger in Stuttgart erschienen. Dass sich Ludwig Seeger auch mit Victor Hugo intensiv auseinandersetzt, ist wohl seiner Vorliebe für die politische Haltung und die Stellung zu sozialen Problemen bei dem großen Franzosen zu verdanken. Zu fremd ist ihm ansonsten das Pathos, sowie Sprache und Rhythmus Victor Hugos, der so ganz anders, feierlich-ernster, als Béranger einherkommt. Trotzdem gelingt es Seeger, die alten Prinzipien auch bei dieser Übersetzung beizubehalten: so nah am originalsprachlichen Ausdruck, Metrum, Rhythmus, Bild etc. wie möglich bleiben, deutscher Prosodie, Verstradition, Wortkonnotation etc. so weitgehend wie nötig angepasst, um beim deutschen Leser der Übersetzung den ähnlichen Eindruck hervorzurufen, wie es der Originalsprachler beim Lesen gehabt haben muß. Hier, wie schon bei der Aristophanes-Übersetzung, überschreitet Seeger wiederum die selbstgesetzten Grenzen der Übernahme des Originalmetrums, indem er den französischen Alexandriner in vielen schildernden Passagen in fünffüßige Jamben überträgt. Ein Kunstgriff, dem nur zugestimmt werden kann, da das akzentuierende deutsche Versprinzip dem silbenzählenden französischen nicht vereinbar ist, und daher der Alexandriner nur in feierlichen Sequenzen adäquate Wirkung entfalten kann.

 

1862

Wiedereinzug in den 3. Landtag als Abgeordneter für Ulm, sein Bruder wird für Freudenstadt gewählt. Die erste Sitzung findet am 3. Mai statt.

Mitglied des Stuttgarter Komitees für Schleswig-Holstein. Hierbei vehementer Verfechter des Selbstbestimmungsrechtes, d.h. Gegner des Zwangsanschlusses auch mit Waffengewalt.

Mitglied des Sechsunddreißiger-Ausschusses des Frankfurter Abgeordnetentags, in welchen im Dezember Abgeordnete aller deutschen Landtage entsandt sind.

Vom 15. November bis Ende des kommenden Jahres erscheint wöchentlich das schon in den Revolutionsjahren wirkende literarisch-satirische Illustrationsblatt "Der Eulenspiegel", an dem Ludwig Seeger als verantwortlicher Redakteur mitarbeitet.

Im Dezember finden wir ihn mit seinem Bruder auf der Landesversammlung der 'Fortschrittspartei', auf der die deutsche Frage behandelt wurde, d.h., wie sich die Einigung Deutschlands, mit oder ohne Preußen und Österreich, gestalten lassen kann.

 

1863

Bis zum Tod 1864 Bekanntschaft mit dem in Stuttgart lebenden Wilhelm Raabe.

Liederbuch" [v.a. Natur- und Liebeslyrik] und "Ein Sohn der Zeit" [v.a. politische Gedichte] bei Emil Ebner in Stuttgart in zwei Bänden als "Gesammelte Dichtungen" erschienen [unter Einschluss der ca. 150 Gedichte seiner lyrischen Sammlung von 1834 enthalten die beiden Bände beinahe 500 Gedichte!].

Am 30. Mai liest Ludwig Seeger seine Übersetzung des "König Johann" von Shakespeare öffentlich vor. Um das umfängliche Projekt der Gesamtübersetzung der Werke Shakespeares auch finanziell unterstützt leisten zu können, wird bei der "Deutschen Schillerstiftung" die Aussetzung eines Ehrensolds beantragt. Die drei fertigen Stücke seiner Übersetzung werden 1867 in die Shakespeare-Ausgabe von Wilhelm Jordan [in der Bibliothek ausländischer Klassiker] übernommen, nachdem der Verlag die Rechte 1864 erworben hat.

Ludwig Seeger übernimmt zudem vom 4. Juli an als Herausgeber und Redakteur die Verantwortung für das "Litterarische Wochenblatt"; in dieser unpolitischen Feuilleton-Beilage des "Eulenspiegel" veröffentlicht er einige Gedichte.

Am 24. November tritt der Landtag wieder zusammen und behandelt vor allem die für Ludwig Seeger so wichtige Schleswig-Holstein-Frage.

 

1864

"Deutsches Dichterbuch aus Schwaben" (zuerst bei Vogel & Beinhauer/ Stuttgart ohne Jahresangabe, dann bei Ebner/Stuttgart, nur mit verändertem Titelblatt). Neben wenigen Texten des Herausgebers Seeger (u.a. der schwankhaften Verserzählung "Der Goldfasan") enthält der Band sämtliche wichtige schwäbische Autoren der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts; unter ihnen Ganzhorn, Grün, Gutzkow, Hartmann, Kerner, Kurz, Mörike, Notter, Raabe, Storm (als Schwabe!?), Uhland und Zeller.

Den Ausbruch des dänischen Kriegs erlebt Ludwig Seeger noch mit - sein für die Errichtung eines geeinigten Deutschen Reichs Ende, dessen Tendenz Seeger zuwider gewesen wäre, kann er nicht mehr erleben.

Am 23. Februar hält Ludwig Seeger seine letzte Rede vor der Kammer der Abgeordneten; bezeichnenderweise tritt er vehement für die Zulassung der Eheschließung zwischen Christen und Juden ein. Wir sehen hier nochmals den für die Schwachen, Diskriminierten eintretenden Patrioten.

Ende Februar, Ludwig Seeger ist schon erkrankt, wird ihm der Ehrensold der "Deutschen Schillerstiftung" auf drei Jahre bewilligt; seine Frau hat diesen bis 1866 erhalten. Da Seeger zwar nicht am Hungertuch nagen muss, aber keineswegs wohlhabend ist - die Honorare seiner diversen freien Aufträge sowie sonstige Einkünfte sind nicht üppig -, und da er daher seiner Familie außer guter Ausbildungen für seine beiden Söhne nicht viel Materielles hinterlassen kann, war dieser Ehrensold für die Witwe sicherlich sehr willkommen.

Nach kurzer aber schwerer Krankheit (ein 'ins Nervöse ausartender Gliederschmerz' der wohl typhoser Natur war und mit schweren Fieberschüben einherging) - nicht einmal seine engsten Freunde dürfen ihn am Krankenlager besuchen - stirbt Ludwig Seeger am 22. März, dem Todestag Goethes, in Stuttgart.

Beerdigt wird er am 24. März auf dem Stuttgarter Fangelsbach-Friedhof.

Am 1. Mai 1864 erscheint als Leitartikel der "Schwäbischen Chronik" ein sich über zwei Spalten erstreckender Nachruf auf Ludwig Seeger, der mit den folgenden Worten schließt: 'Seegers Name ist der deutschen Literaturgeschichte gerettet: aber sein erschütternd schnelles Scheiden hat im Schoße der Seinen, wie in politischen, literarischen und geselligen Kreisen, einen schmerzlichen Riss auf lange zurückgelassen.'

 

© Dr. Rüdiger Krüger, Rheda-Wiedenbrück 2006
Kontakt: mailto:siegfriedcarl@hotmail.com
letzte Änderung: 03.05.00

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