Hans Folz - Werk

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Das Bäderbüchlein

 

 

Hans Folz

Das Werk

 

1. Die Meisterlieder(1)

Überliefert sind die Meisterlieder des Hans Folz, neben einer v.a. späteren, auch gedruckten Streuüberlieferung - die Folzschen Lieder und v.a. seine Töne fanden Aufnahme in die meisten Meisterliederhandschriften des 16. und 17. Jahrhunderts -,(2) in drei Handschriften, von welchen zwei direkt auf den Autor zurückgehen.

Der Weimarer Autograph (X),(3) der sowohl Reinschriften bringt, als auch ein Arbeitsmanuskript darstellt, widmet sich, wie im meistersingerlichen Schulsingen des 15. Jahrhunderts üblich, überwiegend geistlichen Themen, wobei die Bereiche ‘Maria’ und ‘Inkarnation’ im Mittelpunkt stehen. Daneben klingen jedoch schon vereinzelt weltliche Lieder an, wie das oben erwähnte ‘Lob des Buchdrucks’ (Nr.68) und sogar ein Liebeslied (Nr.69) sowie der Versuch eines Tagelieds (Nr.50).

Der Münchener Teilautograph (M),(C) der sich nur in vier Liedern (Nr.14, 23, 34, und 36) mit X überschneidet, bietet in den Themen ein ähnliches Bild und bringt über die religiösen Themen hinaus wiederum wenige weltliche Lieder, aus welchen die singuläre Bearbeitung eines Schwankstoffs über die weibliche Treulosigkeit (Nr.20) und eine in sich geschlossene Liedreihe des letzten Faszikel im ‘Kurzen Ton’ Heinrichs von Mügeln, die sich in scharfer Polemik mit konkurrierenden Meistersingern auseinandersetzt, herausragen.

Als dritte Handschrift mit Folz-Meisterliedern ist der Berliner Sachs-Autograph (N2)(5) zu nennen, in welchem aus den zumeist geistlichen Texten als Besonderheit die schon angesprochenen ‘Reformlieder’ (Nr.89-94), in welchen Folz polemisch den ‘dörperlichen’ Neidhart den alten Meistern vorzieht, als in sich geschlossene Liedeinheit herausragen. Diese bringen in Nr.94 eine Autorsignatur und gelten als echt. Über die Echtheit der sonstigen in N2 überlieferten Folz-Meisterlieder ist sich die Forschung noch uneins, eine dringend ausstehende interpretatorische Gesamtwürdigung des meistersingerischen Schaffens des Hans Folz könnte hier eventuelle Klarheit bringen.(6)

Das früheste datierbare Lied Nr.23 in X trägt das Datum 1475. Hierauf und auf allgemeine produktionstheoretische Überlegungen stützt sich die oben gemachte Annahme, dass Folz Anfang der 70er Jahre des 15. Jahrhunderts mit seiner literarischen Produktion begonnen hat.(7)

Drei seiner Lieder (Nr.95-97) legt Hans Folz sogar 1483/88 in eigener Offizin gedruckt vor, sie dürften die frühesten gedruckten Meisterlieder darstellen.

Neben der erwähnten Aufnahme seiner Lieder und v.a. Übernahme seiner Töne in spätere Meistersingerhandschriften gibt die Würdigung in der ‘Schulkunst’ des Hans Sachs von 1525,(8) in welcher dieser Hans Folz als ‘durchleuchtig deutsch Poet’ apostrophiert und ihn als elften unter die zwölf alten Meister der Nürnberger ‘Singschule’ einreiht, ein untrügliches Indiz für die Bedeutung des Hans Folz für den deutschen Meistersang.

2. Die Fastnachtspiele(9)

Die zweite literarische Gattung, die Hans Folz in Nürnberg vorfand, und in der er sich früh betätigte, stellt das Fastnachtspiel dar, das in Hans Rosenplüt seine Nürnberger Ausprägung fand. Im einzelnen fällt die Abgrenzung zwischen Folz und dem älteren Rosenplüt sowie anderen z.T. anonymen Autoren schwer. Nur sechs Fastnachtspiele sind signiert (Nr.1, 7, 38, 43, 44 und 60), eines führt den Namen des Autors im Titel (Nr.112), und fünf Fastnachtspiele sind Folz wegen auffälliger Parallelen zu seinen gedruckten Reimpaarsprüchen mit einiger Sicherheit zuzuschreiben (Nr.20, 51, 105, 106 und 120). Dass er als erster Fastnachtspiele gedruckt hat (Nr.38 und 44 in den Jahren 1483/88)(10) zeigt einmal mehr den Geschäftssinn des Autors, dem in einem Ratsverlaß von 1486 die Aufführung eines gereimten Fastnachtspiels mit seinen Verwandten zwar erlaubt wird, jedoch mit dem bezeichnenden Zusatz: ‘nit gelts darumb zu nemen’.(11)

Umgekehrt wie bei den Lieder, wo Folz durch die Aufnahme weltlicher Thematik in den sonst überwiegend religiös bestimmten Meistersang diesem neue Bereiche erschließt, öffnet er das sonst derb-weltliche Fastnachtspiel, religiöser und moralisch-didaktischer Thematik. Der bisher üblichen Form des Fastnachtspiels stand Folz kritisch bis ablehnend gegenüber, bekennt er doch in einem seiner ‘Reformlieder’ (Nr.91), dass der literarische Anfänger sich solche Spiele vornehmen solle, weil sie recht einfach zu dichten seien, und in seiner Reimpaarrede ‘Der Beichtspiegel’ (Nr.25, V.287) stellt er die Verfasser von ‘Bulnbrif, weltlich lid und fasnachtspil’ auf eine Stufe mit Falschspielern und anderen üblen Gesellen. Trotzdem finden wir an ‘konventionellen’ Fastnachtspielen Bauernspiele (z.B. Nr.7 und 43), Gerichtsspiele (z.B. Nr.31), Arztspiele (z.B. Nr.120) und Narrenspiele (z.B. Nr.38 und 44).

Die übrigen Spiele sind zum Teil stark antijüdisch geprägt. Nr.1 mit dem sprechenden Titel ‘vasnachtspil - die alt und neu ee, die sinagog, von uberwindung der Juden in ihr Talmut etc.’ und Nr.106, der ‘Kaiser Constantinus’, dessen Aufführung durch Nürnberger Ratsverlaß 1474 als ‘Historia Constantini und Helene mit der disputacion Silvestri wieder die jüden’(12) genehmigt wird, sind Beispiele der obrigkeitskonformen Haltung des Hans Folz, der mit seinen Spielen aber auch z.B. dem Reimpaarspruch Nr. 27 ‘Christ und Jude’ die judenfeindliche Ratspolitik Nürnbergs unterstützt.(13) Ansonsten führt Folz literarische und historische Stoffe ins Fastnachtspiel ein, so im ‘Spil von konig Salomon und Malkolfo’ (Nr.60)(14) und im wiederum antijüdische Tendenzen transportierenden ‘Spil von dem herzogen von Burgund’ (Nr.20).

Insgesamt fallen die Fastnachtspiele literarisch-stilistisch wie sprachlich gegenüber dem sonstigen Werk ab; dies liegt wohl mit an der Rezeptionsrichtung als volkstümliche, zur Aufführung bestimmte Spiele; obwohl auch hier eine Tendenz zu stärkerer Literarisierung bei Folz gegenüber früheren Fastnachtspielen festzustellen ist. Die literarisch-historischen Spiele sind theaterhistorisch von Bedeutung, da sie die dramaturgisch aufwendige Technik des ‘Handlungsspiels’ gegenüber der traditionellen Reihung verwenden.(15)

3. Die Reimpaarsprüche(16)

Mit einer kurzen Betrachtung der Folzschen Reimpaarsprüche, die in der Forschung bisher stiefmütterlich behandelt wurden, nähern wir uns dem «Bäderbüchlein» (Nr.43), das zur medizinischen Fachliteratur unter den thematisch vielfältigen Sprüchen zu zählen ist. Die Reimpaarsprüche sind Ausdruck der Folzschen Offizin, sie sind sämtlich gedruckt und somit einem breiten Publikum zugänglich gemacht worden. In verschiedenen Auflagen wurden sie überarbeitet und dem Publikumsgeschmack angepaßt; so sind in frühen Drucken breitere didaktisch-moralische Belehrungen v.a. bei den Mären später zurückgenommen worden, wie überhaupt eine Tendenz zur Kürzung festzustellen ist. Die gedruckten Sprüche lassen sich auch ohne Angabe des Druckdatums relativ gut datieren, da durch die verwendeten Typen der Folz-Offizin zwei Druckperioden von 1479-1482 und 1483-1488 festzulegen sind. Von weiteren Drucken an anderen Orten abgesehen hat Folz wohl ab 1488 bei Peter Wagner in Nürnberg drucken lassen.(17) Unter der Annahme, dass ein Spruch jeweils in den Jahren vor dem Drucktermin entstanden ist, und durch Vergleiche mit den Liedern und Fastnachtspielen, lassen sich die meisten Entstehungszeiträume der Sprüche relativ sicher eingrenzen.

Folz ist mit über 18 Mären, d.h. zumeist schwankhaften Erzählungen, einer der produktivsten Autoren dieser Gattung. Hierbei geht das Themenspektrum in alle Bereiche der Gattung, vom Landstreicher (z.B. Nr.16) und Gauner (z.B. Nr.13) über den tölpelhaften Bauer (z.B. Nr.1 und 20) und fecetische Inhalte (z.B. Nr.12) bis hin zum Arztstand/Quacksalber (z.B. Nr.9a und 14) und der Geistlichkeit (z.B. Nr.17 und 19), wobei antijüdische Polemik mehrfach mit im Spiel ist (z.B. Nr.9b).

Weitere Bereiche der Reimpaarsprüche sind die überwiegend in der frühen Druckperiode entstandenen geistlichen Erzählungen und geistlichen Reden, in welchen sich die Folzsche Gelehrsamkeit und Versiertheit auch in lateinischem Schrifttum besonders ausgeprägt zeigt. Neben Legendenstoffen (z.B. Nr.21) sind Ständekritik (z.B. Nr.23) und verschiedene, v.a. auf Nürnberger Zustände eingehende Belehrungen wie ein ‘Beichtspiegel’ (Nr. 25) und die wiederum extrem antijüdische Glaubensdisputation ‘Christ und Jude’ (Nr.27) unter anderen Themen dieser Sprüche.

Dazu gesellen sich drei Sprüche weltlich-didaktischer Prägung, die sich mit den wichtigsten Männerlastern beschäftigen: ‘Der Buhler’ (Nr.28), ‘Der Spieler’ (Nr.29) und ‘Der Trinker’ (Nr.30).

Eine Gattung, die mittelalterlichen ‘Minnereden’, von denen sich vier im Autograph (X) als Quelle für eigenes Schaffen aufgezeichnet finden,(18) löst er aus dem höfischen Kontext, er verstädtert sie gleichsam, wie wir generell in seinen auf literarischen Vorlagen basierenden Reden, Mären und Sprüchen eine städtische Pragmatisierung feststellen können.(19) Geschrieben und gedruckt wird, was sich auf dem entstehenden Buchmarkt verkaufen lässt. Dies gilt auch für die Formen seiner komisch-volkstümlichen und historisch-politischen Reden, die entweder auf Nürnberger Traditionen, beispielsweise die Neujahrssprüche im ‘Klopfan’ (Nr.36), oder mit Nürnberg in Verbindung stehende Ereignisse, beispielsweise ‘König Maximilian in Nürnberg’ (Nr.38) oder ‘Jüdischer Wucher’ (Nr.37), eingehen.

Die gleiche Zielrichtung haben seine fachliterarischen Beiträge. Ein ‘Pestregimen in Versen’ (Nr.44) und das «Bäderbüchlein» sind medizinische, das ‘Konfektbüchlein’ (Nr.41) und ‘Branntweinbüchlein’ (Nr.42) diätetische, und das ‘Hausratsbüchlein’ (Nr.40) ist eine ökonomische Unterweisung für ein städtisches Laienpublikum.(20)

Dass zwei Prosaschriften, ‘Parodistischer Almanach’ (Nr.46) und ‘Pestregimen in Prosa’ (Nr.45) zu den gereimten Werken hinzutreten, sei abrundend angemerkt.

Als Fazit mag festgehalten werden: Hans Folz ist der produktivste und ‘modernste’ spätmittelalterliche Autor, der in seinen Themen, literarischen Formen und Gattungen sowie seiner Literaturdistribution durch das neue Medium des Drucks und die Bindung des Literaturbetriebs an die städtische Gesellschaft die beginnende neue Zeit vorwegnimmt.

Anmerkungen:

  1. Die Lied-Nummerierung folgt wie üblich: Maier (Ausg.1908).

  2. Vgl. hierzu u.a. Maier (Ausg.1908) S.XXI; Ellis (Ausg.1952); das ‘Repetorium des deutschen Meistersangs’, Arbeitsstelle am Germanistischen Seminar Tübingen, sowie das ‘Repetorium der Sangsprüche und Meisterlieder’, Arbeitsstelle an der StB Nürnberg.

  3. Weimar Q 566, enthält neben Reinschriften fertiger Meisterliedern auch Quellen, d.h. anonym überlieferte und Werke anderer Autoren, beispielsweise ‘Minnereden’, sowie Entwürfe von Liedern. Hier schauen wir in die Werkstatt des spätmittelalterlichen Autors, denn es scheint sich um ein Arbeitsmanuskript zu handeln.

  4. München cgm 6353, um 1485-90 entstanden; enthält eigenhändig aufgezeichnete Lieder sowie durch Autorsignatur in ihrer Echtheit unzweifelhafte Abschriften.

  5. Berlin Mgq 414, 1517/18 entstanden; enthält von der Hand des Hans Sachs eigene Werke sowie eine Sammlung fremder Meisterlieder, unter ihnen der von Sachs hochgeschätzte Hans Folz.

  6. Schanze (I/1983) S.300-321 hat zuletzt das Gesamtkorpus untersucht, er hält 90 Lieder für echt. Man muß jedoch bedenken, daß sicherlich mit großen Verlusten zu rechnen ist, denn von den 17 auf Folz zurückgehenden Tönen sind im überlieferten Textkorpus nur 14 mit eigenen Texten vorhanden.

  7. Vgl. die Diskussion in Schanze (I/1983) S.297ff; Schanze legt den Beginn des Folzschen Schaffens sogar noch etwas früher.

  8. Vgl. Nagel (Ausg.1965) Nr.39/S.107; Hahn/Weber (Ausg.I/ 1992) S.61ff: ‘Die zwelf Nürnberger Dichter’, Zitat S.62.

  9. Vgl. Keller (Ausg.1853-1858) passim, nach Keller richtet sich die Numerierung;. vgl auch Wuttke (Ausg.1973).

  10. Die Nr.7, 60, 112 und 120 wurden vermutlich nach verlorenen Folz-Drucken von anderen Druckern nachgedruckt. Zu den Drucken vgl. Spriewald (1961) S.261ff.

  11. Vgl. Hampe (1900) S.228. Vergleichbare Dokumente sind aus den Jahren 1474 und 1498 überliefert, ebenda. S.227/229.

  12. Hampe (1900) S.227.

  13. Vgl. Müller (1968) S.81; Jamota (1982) S.2f; Lomnitzer (1963); Wenzel (1987).

  14. Zu den literarischen Bezügen vgl. Wuttke (Ausg.1978) S.337-340.

  15. Vgl. Catholy (1961); ders. (1966).

  16. Vgl. Spriewald (Ausg.1960); Fischer (Ausg.1961), die Numerierung folgt dieser Ausgabe; ders. (Ausg.1967); Bunz (Ausg.1975).

  17. Zu den Drucken vgl. Spriewald (1961).

  18. ‘Die Beichte einer Frau’, Peter Suchenwirts ‘Der Widerteil’, ‘Der Traum’ und Ebelins von Eselsberg ‘Das nackte Bild’ sind von den mhd. Minnereden hier aufgezeichnet.

  19. Zur Verstädterung und ‘Pragmatisierung’ der höfischen Literatur in der spätmittelalterlichen Stadtkultur vgl. Kuhn (1980) v.a. S.94.

  20. Zu den Reimpaarsprüchen vgl. Spriewald (1990) S.56-116.

 

© Dr. Rüdiger Krüger, Rheda-Wiedenbrück 2006
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letzte Änderung: 07.05.00

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