Seifenblasen
Selbstvergessen sitzt der kleine Bub im hohen Gras zwischen den Blüten der
Margariten und den reifen Gräserrispen. Wieder und wieder tunkt er den kleinen
Reif in den Becher voll Seifenlauge und lässt bunte Seifenblasen in den
Sonnenhimmel steigen. Der sanfte Wind bläst die im Sonnenlicht glänzenden
Ballons über die Wiese dem nahen Waldrand zu; die meisten verschwinden zwischen
den Grashalmen in der Ferne. Dann und wann gelingt dem Bub eine besonders
schöne, in den Farben des Regenbogens leuchtende Seifenblase, die von einem
kräftigeren Windhauch in die Höhe, der Sonne zu, gehoben wird; bis sie zart
zerplatzt, solange schaut ihr der Bub mit träumenden Augen nach. Dann versucht
er eine noch schönere, noch leuchtendere zu blasen, wendet seine ganze Kunst
auf. Und wenn es ihm im Verbund mit seinen Genossen Wind und Sonne gelingt,
jauchzt er hell auf. Das zarte Zerplatzen macht Lust auf mehr.
Selbstvergessen sitzt der kleine Bub im hohen Gras zwischen den Blüten der
Margariten und den reifen Gräserrispen; er ist mit sich und der Welt zufrieden.
Verzweifelt sitzt der reife Mann im Keller vor Bildschirm und Keyboard.
Wieder und wieder gestaltet er Bewerbungsschreiben, feilt an seinem Lebenslauf
und der Liste seiner Arbeitsschwerpunkte, um sie der Ausschreibung und der
angestrebten Stelle gemäß zu formulieren. Die meisten verschwinden im
undurchschaubaren Dschungel der Wirtschaft, Dienstleistungsbetriebe und
öffentlichen Verwaltungen. Dann und wann - selten genug - gelingt dem Mann eine
Bewerbung, die auf erste Resonanz stößt, an der scheinbar Gefallen gefunden
wird; bis alle Hoffnungen zerplatzen, und die Unterlagen mit einem
Standard-Schreiben zurückgesandt werden. Dann versucht er eine noch
ausgefeiltere auf den Weg zu bringen. Und wenn es ihm im Verbund mit den
Antichambrier-Bemühungen gelingt, einen Schritt nach vorne zu machen, keimt
Hoffnung auf. Die Rückpost wirft ihn hart auf den Boden der Tatsachen zurück.
Verzweifelt sitzt der reife Mann im Keller vor Bildschirm und Keyboard; er
weiß nicht, ob er und die Welt noch Zukunft haben.
Seifenblasen...