Fanny Hensel

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Annalen zu Fanny Hensel, geb. Mendelssohn
verwoben mit Daten zu Wilhelm und Luise Hensel 
sowie Felix Mendelssohn Bartholdy

Daten – Bilder – Zitate

 

„Seine [Felix] älteste Schwester Fanny stand ihm durch ihre eminente musikalische Befähigung sehr nahe, und ihr trefflicher Charakter, der klare Verstand, ihr durchaus vernünftiges, aber reiches Gefühlsleben – das nicht jedem erkennbar war – vermochte in Felix erregtem Wesen Manches auszugleichen.

Eduard Devrient, Meine Erinnerungen an Felix Mendelssohn Bartholdy, Leipzig 1872

 

1794      Am 6. Juli Geburt von Wilhelm Hensel als Sohn des evangelischen Geistlichen Johann Jakob Ludwig und seiner Frau Louise Johanne in Trebbin.

1796      Umzug der Hensels nach Linum bei Fehrbellin in der Mark Brandenburg, wo dem Vater eine wesentlich besser dotierte Pfarrstelle angeboten wurde.

1798      Am 30. März Geburt der Luise Hensel, als viertes Kind nach Wilhelm, Ludwig und Karoline.

1805      Am 14. November Geburt der Fanny Caecilia Mendelssohn in Hamburg als Tochter des Bankiers Abraham Mendelssohn (1776-1835) und seiner Frau Lea, geborene Salomon (1777-1842).

1809      Am 3. Februar Geburt des später berühmten Bruders Felix Mendelssohn ebenfalls in Hamburg.

1810      Nach dem Tod des Vaters (1809) zieht die Familie Hensel nach Berlin

1811      Am 11. April Geburt von Fannys jüngerer Schwester Rebecka Mendelssohn.

1812      Die Familie Mendelssohn siedelt wegen der Kontinentalsperre Napoleons gegenüber England nach Berlin über, wo die Brüder Abraham und Joseph ein Bankhaus betreiben. Paul Mendelssohn, der jüngste Bruder Fannys, kommt hier am 30. Oktober zur Welt.

ab 1815 Luise Hensel verkehrt auf Vermittlung ihres mittlerweile als Maler und Porträtist zu einigem Ansehen gelangten Bruder Wilhelm im Künstlerkreis um Friedrich von Staegemann. Hier lernt sie neben anderen die Brüder Gerlach – in Ludwig von Gerlach suchte sie ihren 1808 verstorbenen Bruder Ludwig wieder zu finden, Ludwig von Gerlach hielt erfolglos um ihre Hand an –, Friedrich Förster, Graf Gneisenau und Wilhelm Müller kennen; letzterer, ein enger Freund des Bruders Wilhelm Hensel, warb ebenfalls erfolglos um sie und setzte ihr in der „Schönen Müllerin“ ein durch die spätere Vertonung Schuberts berühmtes Denkmal.

1816      Taufe der Kinder Fanny, Felix, Rebecka und Paul Mendelssohn in der Neuen Kirche zu Berlin nach evangelischem Ritus; die Eltern folgen erst sechs Jahre später diesem Schritt, der ihnen im protestantischen Preußen für das Vorwärtskommen ihrer Kinder opportun erschein.

Während eines mehrmonatigen Parisaufenthalts erhalten Fanny und Felix Mendelssohn Klavierunterricht bei der von Haydn und Beethoven geschätzten Pianistin Marie Bigot de Morogues, den in Berlin der bekannte Beethoven-Interpret Ludwig Berger fortsetzt. Felix Mendelssohn erhält überdies Violinunterricht bei Wilhelm Henning

Im September lernt Luise Hensel den Romantiker Clemens Brentano kennen, der ebenso erfolglos wie heftig um sie wirbt. Gegen den zwanzig Jahre Älteren, bereits zweimal Geschiedenen hat insbesondere Luise Hensels Mutter einiges einzuwenden Die beiden wird jedoch eine lebenslange Freundschaft verbinden. Brentanos Gedichte an Luise Hensel geben ein Zeugnis dieser großen Liebe und engen Künstlerfreundschaft.

„Diese Lieder [von Luise Hensel] haben zuerst die Rinde über meinem Herzen gebrochen, durch sie bin ich in Tränen erflossen, und so sind sie mir in ihrer Wahrheit und Einfalt das Heiligste geworden, was mir im Leben aus menschlichen Quellen zuströmt.“

Clemens Brentano am 3. Dezember1817 an seinen Bruder Christian

Im Dezember stirbt Luise Hensels jüngere Schwester Karoline wenige Wochen nach der Geburt ihres zweiten Kindes in Stettin. Luise kommt dem Wunsch ihrer Schwester nach, den kleinen Rudolf in ihre Obhut zu nehmen.

1817      Luise Hensel schreibt ihr berühmtestes Gedicht, das Abendgebet „Müde bin ich, geh zur Ruh, schließe meine Augen zu.“

1818      Fanny Mendelssohn spielt ihrem Vater als Geburtstagsgeschenk die 24 Präludien des „Wohltemperierten Klaviers“ von Johann Sebastian Bach auswendig vor. Diese besondere Leistung wird von allen bewundert, Henriette Mendelssohn, die Schwester Abrahams, sorgt sich aber um eine Überforderung des Kindes.

Felix Mendelssohn tritt erstmals öffentlich in einem Konzert in Berlin auf.

„Vielen Beifall erhielt auch das Trio fürs Pianoforte und 2 Waldhörner von Wölfl, vorgetragen von dem 9jährigen Sohne des Banquier Mendelssohn.“

Der Berliner Korrespondent in der Leipziger Allgemeinen Musikalischen Zeitung

Luise Hensel tritt in der Berliner St. Hedwigs-Kirche bei Probst Taube zum Katholizismus über. Ihre Konversion sowie die intensive Verbindung werden als Ursache für Clemens Brentanos Rückwendung zum Katholizismus gewertet.

„Ich muss in diesem Augenblick denken und fühlen, und es ist mir, als wär’s wahrhaftig so, nämlich als wäre meine Brust ein Badezuber und Deine Füße stünden badend und plätschernd in meinem Herzen, und Du sagst: endlich krieg ich warme Füße.“

Clemens Brentano an Luise Hensel

1819      Fanny Mendelssohn und ihr Bruder Felix werden Schüler von Carl Friedrich Zelter, dem Komponisten-Freund Goethes, der sie in der Kunst der Komposition unterrichtet.

Zum Geburtstag des Vaters am 11. Dezember dediziert ihm Fanny das Lied „Ihr Töne schwingt euch fröhlich“; ihre erste überlieferte Komposition.

Der in Preußen latente Antisemitismus, der die Mendelssohns trotz der reformierten Taufe der Kinder und auch nach der elterlichen Konvertierung zum Christentum – später durch Richard Wagner und Friedrich Nietzsche befördert bis in unsere Tage – verfolgen wird, bringt es mit sich, dass die Geschwister Fanny und Felix auf offener Straße als Juden angepöbelt werden.

1820      Fanny und Felix Mendelssohn treten in die Berliner Singakademie ein, wo ihre musikalische Ausbildung weiter intensiv gefördert wird.

Fanny Hensel wird evangelisch konfirmiert.

„Wir haben Euch, Dich und Deine Geschwister, im Christentum erzogen, weil es die Glaubensform der meisten gesitteten Menschen ist und nichts enthält, was Euch vom Guten ableitet.“

„Was du mir über dein musikalisches Treiben im Verhältnis zu Felix in einem deiner früheren Briefe geschrieben, war ebenso wohl gedacht als ausgedrückt. Die Musik wird für ihn vielleicht Beruf, während sie für dich stets nur Zierde, niemals Grundbass deines Seins und Tuns werden kann und soll; ihm ist daher Ehrgeiz, Begierde, sich geltend zu machen in einer Angelegenheit, die ihm sehr wichtig vorkommt, weil er sich dazu berufen fühlt, eher nachzusehen, während es dich nicht weniger ehrt, dass du von jeder dich in diesen Fällen gutmütig und vernünftig bezeugt und durch deine Freude an dem Beifall, den er sich erworben, bewiesen hast, dass du ihn dir an seiner Stelle auch würdest verdienen können. Beharre in dieser Gesinnung und diesem Betragen, sie sind weiblich, und nur das Weibliche ziert die Frauen.“

Abraham Mendelssohn an seine Tochter Fanny zur Konfirmation

Luise Hensel legt vor dem Jesuitenpater Heinrich Wüsten, ihrem „Seelenführer“, das Gelübde der Ehelosigkeit ab. Ihren größten Wunsch, als Nonne in einem Kloster zu wirken, wird sie sich aber der vielen karitativen Aufgaben wegen versagen. V.a. auch die Versorgung ihres Pflegesohns Rudolf standen diesem Wunsch entgegen.

ab 1821 Luise Hensel besucht in den kommenden Jahren mehrfach die stigmatisierte Augustinerinnen-Nonne Katharina Emmerich in Dülmen; mit ihr Clemens Brentano, der später für einige Jahre nach Dülmen zieht und die Visionen der Nonne aufzeichnet.

1822      Abraham Mendelssohn konvertiert mit seiner Frau Lea zum Protestantismus; er gibt sich den zusätzlichen Nachnamen Bartholdy.

Fanny Mendelssohn lernt anlässlich eines Ausstellungsbesuchs mit ihren Eltern in dessen Atelier den Maler Wilhelm Hensel (1794-1861) kennen, sie war ihm im Jahr zuvor erstmals begegnet. Die zarte Liebesbeziehung zwischen Wilhelm Hensel und der noch sehr jungen Fanny Mendelssohn ist nicht ungetrübt, denn Lea Mendelssohn sieht die Verbindung mit dem zwar begabten, aber relativ mittellosen Künstler äußerst kritisch.

Zum 17. Geburtstag schenkt Wilhelm Hensel seiner angebeteten Fanny einen Lyrikband seines Freundes Wilhelm Müller nebst einem Porträt des Lyrikers und einem Selbstporträt. Am Tag darauf schickt ihm Lea Mendelssohn das Geschenk zurück:

„Ich wollte die Freude des gestrigen Abends nicht durch die Bemerkung stören, dass ich es nicht passend fände, wenn ein junger Mann einem jungen Mädchen sein Bildnis schenkt.“

Bei der Rückreise von einem Schweiz-Besuch lernt Fanny Goethe kennen; dieser interessiert sich aber wesentlich mehr für ihren Bruder Felix, den ihm sein Freund Zelter im Jahr zuvor als Wunderknaben vorgestellt hatte.

In diesem und den beiden folgenden Jahren komponiert Fanny Mendelssohn eine Reihe von Kammermusikwerken, darunter das Klavierquartett As-Dur und die Klaviersonate c-moll.

1823      Die „Sonntagsmusiken“ beginnen im Hause Mendelssohn, bei denen die Geschwister Fanny und Felix auftraten und zeitgenössische wie „alte“ Musik zu hören war.

Luise Hensel zieht bis 1826 nach Wiedenbrück, um ihrem Pflegesohn Rudolf im dortigen (katholischen) Gymnasium eine gute Bildung zukommen zu lassen.

„Mir hat dieß Städtchen, das flache aber freundliche Umgebungen, und was viel wichtiger ist, viel fromme, sittliche Einwohner und sehr gute Priester hat, von denen ich schon einige kannte, recht gut gefallen ...“

Luise Hensel an ihren Bruder Wilhelm am 26. April 1823

Am 20. Juli reist Wilhelm Hensel für fünf Jahre – finanziert durch die preußische Akademie der Künste – nach Rom. Er nimmt selbst gemalte Bilder der Familie Mendelssohn und der geliebten Fanny mit. Die Korrespondenz mit Fanny ist ihm von Lea Mendelssohn verboten, so dass er ersatzweise mit den – hoffentlich – zukünftigen Schwiegereltern Briefkontakt hält.

„Fanny ist sehr jung und ohne Leidenschaft [...] Sie sollten sie durchaus nicht in jene verzehrende Empfindung reißen wollen und sie durch verliebte Briefe in eine Stimmung schrauben, die ihr ganz fremd ist.“

Lea Mendelssohn-Bartholdy an Wilhelm Hensel

1824      An Felix Mendelssohns 15. Geburtstag findet eine Orchesterprobe seiner ersten Oper „Die beiden Neffen“ statt. Bei m anschließenden Abendessen meint Zelter zum Geburtstagskind:

„Mein lieber Sohn, von heut an bist du kein Junge mehr, von heut an bist du Gesell. Ich mache Dich zum Gesell im Namen Mozarts, im Namen Haydns und im Namen des alten Bach.“

Fanny Mendelssohns Lied „Die Schwalbe“ erscheint anonym im Almanach „Rheinblüthen“.

ab 1824 Felix Mendelssohn Bartholdy komponiert, konzertiert und führt Werke der „alten“ Meister. Seine Konzertreisen führen ihn in den kommenden Jahren nach Paris, England, Schottland, Italien, die Schweiz und mehrfach durch die deutschen Lande.

1825      Die Familie Mendelssohn bezieht das Palais Leipziger Str. Nr. 3, in dessen Gartentrakt Fanny Hensel später dann mit ihrer Familie bis zu ihrem frühen Tod wohnen wird.

1827      Die Lieder op. 8 von Felix Mendelssohn Bartholdy, darunter drei Lieder Fanny Mendelssohns, erscheinen bei Breitkopf & Härtel.

Zelter berichtet Goethe über Fanny Hensels Klagen, es gäbe so wenig gut vertonbare Lyrik. Daraufhin schreibt Goethe die folgenden Zeilen am 13. Oktober an Fanny.

 

Wenn ich mir in stiller Seele
Singe leise Lieder vor:
Wie ich fühle, daß sie fehle,
Die ich einzig auserkor.

Möcht’ ich hoffen, daß sie sänge
Was ich ihr so gern vertraut;
Ach! aus dieser Brust und Enge
Drängen frohe Lieder laut.

Goethe an Fanny Mendelssohn, 1827

 

„Wenn es mir gelänge, die richtigen Töne zu ihren Worten zu finden, würde ich mich vielleicht als weniger unwürdige Besitzerinn solches Schatzes betrachten dürfen, in welchem Sie mir, mit der Aufgabe zugleich einen Lohn verliehen haben, den nicht einmal die glücklichste Lösung erwarten durfte.“

Fanny Hensel in ihrem Dankschreiben an Goethe vom 25. Oktober

Es ist ihr gelungen, die Verse am 19. Januar 1828 äußerst einfühlsam zu vertonen.

1828      Im Oktober kehrt Wilhelm Hensel von Rom zurück. Fanny ist verändert, denn sie hat sich in den vergangenen Jahren zu einer 22-jährigen selbstbewussten jungen Dame entwickelt.

Du bist gut in Sinn und Gemüt. [...] Aber du kannst noch besser werden! Du musst dich mehr zusammennehmen, mehr sammeln, du musst dich ernster und emsiger zu deinem eigentlichen Beruf, zum einzigen Beruf eines Mädchens, zur Hausfrau bilden.

Abraham Mendelssohn-Bartholdy zum 23. Geburtstag Fannys

1829      Die leicht entfremdeten Liebenden verloben sich und finden durch intensiven brieflichen und persönlichen Austausch zu einer neuen, überaus vertrauten und innigen Partnerschaft.

„Guten Morgen, mein bester Wilhelm, möge dir der Himmel eine gute Nacht geschenkt haben, ich habe innigst an dich gedacht. Und sonderbar, ich habe nun so stark und klar den ganzen Umfang meiner Liebe empfunden, wie jetzt, wo du zu meinem tiefsten Kummer daran zweifelst? Ich sage es wahrhaftig nicht um dich zu beruhigen, Wilhelm, ich sage es dir, weil es mir das Herz abdrückt, es zu sagen. O, laß uns ganz einig seyn.“

Fanny Mendelssohn an Wilhelm Hensel, Anfang 1829

„Beinahe hätte ich vergessen, Ihnen zu danken, dass Sie erst aus meiner Verlobungskarte geschlossen haben, ich sey ein Weib wie Andre, ich meines Theils war darüber längst im Klaren, ist doch ein Bräutigam auch ein Mann wie Andre. Daß man übrigens seine elende Weibsnatur jeden Tag, auf jedem Schritt seines Lebens von den Herren der Schöpfung vorgerückt bekömmt, ist ein Punkt, der einen in Wuth, u. somit um die Weiblichkeit bringen könnte, wenn nicht dadurch das Uebel ärger würde.“

Fanny Mendelssohn an Klingemann 22. März 1829

Am 3. Oktober heiratet Fanny Mendelssohn Wilhelm Hensel. Zu ihrer eigenen Hochzeit komponiert sie sich zwei Präludien für Orgel.

„Frau Mendelssohn ist eine erstklassige Pianistin. Sie ist keine oberflächliche Musikerin; sie hat die Wissenschaft gründlich studiert, und sie schreibt mit der Freiheit eines Meisters. Ihre Lieder zeichnen sich aus durch Zärtlichkeit, Wärme und Originalität, einige, dich ich hörte waren exquisit.“

John Thompson, In: The Harmonion of March,

Zur silbernen Hochzeit ihrer Eltern komponiert Fanny Hensel das Festspiel für sechs Solostimmen, vierstimmigen Chor und Orchester „Die Hochzeit kommt“, ihr erstes größeres Werk für Orchester. Wilhelm Hensel verfasste den Text zu dieser dreiteiligen allegorischen Darstellung der ersten, der silbernen und der goldenen Hochzeit.

1830      Am 16. Juni wird der einzige Sohn von Fanny und Wilhelm Hensel, Sebastian Ludwig Felix (+1898), geboren. (Spätere Schwangerschaften enden stets mit Früh- und Totgeburten). Die drei Vornamen erhält der Erstgeborene zu Ehren von Johann Sebastian Bach, Ludwig van Beethoven und Felix Mendelssohn Bartholdy. Sebastian Hensel wird später die kommentierte Sammlung der Briefe der Familie Mendelssohn herausgeben, die als Basis für die Biographien der Mendelsohns dient.

Unter den Liedern op. 9 von Felix Mendelssohn Bartholdy – bei Breitkopf & Härtel – befinden sich wiederum Kompositionen von Fanny; und wie bei op. 8 unterlässt Felix wiederum jeglichen Hinweis auf die Autorschaft seiner Schwester. Selbst als seine Mutter ihn bittet, Fanny zu ermutigen, ihm mehr Kompositionen zur Veröffentlichung zu überlassen, lehnt Felix dies ab.

„Aber ihr zureden, etwas zu publizieren, kann ich nicht, weil es gegen meine Ansicht und Überzeugung ist. [...] Und zu einer Autorschaft hat Fanny, wie ich sie kenne, weder Lust noch Beruf – dazu ist sie zu sehr eine Frau, wie es recht ist, sorgt für ihr Haus und denkt weder ans Publikum noch an die musikalische Welt, noch sogar an die Musik, außer, wenn jener erste Beruf erfüllt ist.“

Felix Mendelssohn Bartholdy an seine Mutter Lea

Die Ehe mit Wilhelm Hensel, der Fanny in ihren künstlerischen Ambitionen bestärkt, ja sie durch Texte für ihr Schaffen durch Vignetten und Illustrationen zu ihren Kompositionen nach besten Kräften unterstützt, hilft Fanny Hensel, sich von ihrem übermächtigen Bruder künstlerisch zu emanzipieren.

1831      Fanny Hensel komponiert die „Cantate nach dem Aufhören der Cholera in Berlin“, bekannt unter dem Titel „Oratorium nach Bildern der Bibel“, die Dramatische Szene „Hero und Leander“, zu dem ihr Wilhelm Hensel den Text schreibt, und die Kantaten „Lobgesang“ und „Hiob“. Die Kantatenkompositionen stellen eine intensive Auseinandersetzung mit dem Werk Johann Sebastian Bachs dar.

Fanny übernimmt die Leitung der „Sonntagsmusiken“, bei welchen ihr über zwanzigköpfiger Chor sowie befreundete Musiker in den folgenden Jahren Oratorien, Opernarien und Kammermusik von Bach, Mozart, Beethoven, Weber und Mendelssohn auf einem beachtlichen Niveau aufführen. Natürlich findet sich hier auch Gelegenheit, ihre eigenen Werke, ihre Lieder – darunter auch einige Vertonungen der Lyrik ihrer Schwägerin Luise Hensel –, Duette, Chorlieder, Klavierstücke, , die Szene „Hero und Leander“ für Sopran und Klavier bzw. Orchester, das posthum als op. 11 erschienene Klaviertrio und die Orchesterouvertüre, zu deren Aufführung sie das Orchester des Königstädter Theaters engagiert, einem größeren, begeisterten Publikum zu präsentieren. Neben Freunden und Bekannten besuchen die „Sonntagsmusiken“ auch viele berühmte Persönlichkeiten wie die Brüder Humboldt, Franz Liszt, Clara Schumann, Johanna Kinkel, Heinrich Heine u.a.

1833      Luise Hensel zieht nach Berlin, zunächst zu ihrer Mutter , dann für rund drei Jahre in die Familie ihres Bruders Wilhelm. Sie führt den Haushalt und übernimmt die Erziehung Sebastians, der seine Tante zeitlebens sehr schätzen wird.

1834      Die im Haushalt entlastete Fanny Hensel widmet sich intensiv der Musik. Komposition vieler Lieder, Klavierstücke, der Ouvertüre C-Dur und des Streichquartetts Es-Dur.

1835      Die Familie Hensel reist nach Köln, wo Fanny Hensel bei dem Niederrheinischen Musikfest als Choristin in den von Felix Mendelssohn geleiteten Konzerten mitwirkt.

Am 19. November stirbt Abraham Mendelssohn-Bartholdy in Berlin. Felix ist weiterhin gegen die Publikationswünsche seiner Schwester Fanny.

„Was mein Herausgeben betrifft, so stehe ich dabei wie der Esel zwischen zwei Heubündeln. Ich selbst bin ziemlich neutral dabei, es ist mir aufrichtig gestanden einerlei, Hensel wünscht es, Du bist dagegen. In jeder andern Sache würde ich natürlich dem Wunsche meines Mannes unbedingt Folge leisten, allein hierbei ist es mir doch zu wichtig, Deine Beistimmung zu haben, ohne dieselbe möchte ich nichts der Art unternehmen.“

Fanny Hensel an Felix Mendelssohn Bartholdy am 22. November 1836

1838      Fanny Hensel gibt ihr einziges öffentliches Konzert, sie tritt in einem Wohltätigkeitskonzert am 27. Februar auf und spielt das Klavierkonzert g-moll op. 25 Felix Mendelssohn.

Felix Mendelssohn Bartholdy heiratet Cecile Charlotte Sophie Jeanrenaud in Frankfurt, die er zwei Jahre zuvor kennen lernte. Das Paar hat fünf Kinder: Carl (1838), Marie (1839), Paul (1841), Felix (1843) und Lili (1845).

1839      Beginn der großen Italienreise der Familie Hensel über Leipzig, München, Mailand, Venedig und Florenz nach Rom. Die Tagebücher Fanny Hensels halten die beglückenden Erlebnisse in Rom fest.

1840      Durch die französischen Stipendiaten in der Villa Medici – unter ihnen Charles Gounod – erfährt Fanny Hensel viele Anregungen, die in Kompositionen und Skizzen zahlreicher Klavierwerke und Lieder münden. Im Herbst kehrt die Familie Hensel über Neapel, Genua, die Schweiz und Frankfurt wieder nach Berlin zurück.

1841      Fanny Hensel komponiert den Klavierzyklus „Das Jahr“, der wiederum mit herrlichen Vignetten Wilhelm Hensels illustriert ist.

Charles Gounod, der in Rom zum Freundeskreis gehörte, besucht die Familie in Berlin.

„Frau Hensel war außerordentlich musikalische gebildet und spielte vorzüglich Klavier. Trotz ihrer kleinen schmächtigen Natur war sie eine Frau von hervorragendem Geiste und von einer Energie, die man ich ihren tiefen, feurig blickenden Augen lesen konnte. Zugleich war sie eine selten begabte Komponistin...“.

Charles Gounod in seinen Memoiren

1842      Am 12 Dezember stirbt Lea Mendelssohn-Bartholdy.

1843      Fanny Hensel schreibt die Kantate „Faust-Szene“ und die Klaviersonate g-moll. Sie beklagt sich mehrfach über Taubheit in den Händen. Die ablehnende Haltung ihres Bruders Felix zur Publikation ihrer Werke schmerzt sie.

„Ein Dilettant ist schon ein schreckliches Geschöpf, ein weiblicher Autor ein noch schrecklicheres, wenn aber beides sich in einer Person vereinigt, wird natürlich das allerschrecklichste Wesen daraus.“

Brief Fanny Hensels vom 24. November 1843 an den Musikverleger Franz Hauser

1845      Eine weitere Reise der Familie Hensel nach Italien, jedoch um der erkrankten Rebecka in Florenz zu Hilfe zu eilen, die dann am 14. Februar eine Tochter zur Welt bringt.

1846      Fanny Hensel komponiert ihr Klaviertrio d-moll, das als eines ihrer bedeutendsten Werke gilt.

Gegen den Willen des Bruders Felix, gefördert durch ihren Mann Wilhelm, mit Unterstützung durch einen Freund der Familie, Robert von Keudell, und ermutigt durch Angebote der Verleger Schlesinger und Bote veröffentlicht Fanny Hensel ihre Sechs Lieder op. 1 bei Bote und Bock in Berlin. Felix gibt seiner Schwester in einem ironisch gefärbten Schreiben halbherzig seinen „Handwerkssegen“.

„Endlich hat mir Felix geschrieben und mir auf sehr liebenswürdige Weise seinen Handwerkssegen ertheilt; weiss ich auch, dass es ihm eigentlich im Herzen nicht recht ist, so freut mich doch, dass er endlich ein freundliches Wort mir darüber gegönnt!“

aus Fannys Tagebuch, 14. August 1846

1847      Das Klaviertrio wird bei einer „Sonntagsmusik“ aufgeführt. Die Vier Lieder für das Pianoforte op. 2 und die Gartenlieder für Chor a cappella op. 3 werden, ebenso wie Klavierstücke op. 4-7, ebenfalls bei Bote und Bock veröffentlicht.

Am 14. Mai klagt Fanny Hensel während der Proben zu den „Sonntagsmusiken“ über das Versagen ihrer Hände und stirbt kurz darauf an einem Gehirnschlag.

„Am Morgen hatte sie noch ein Lied von Eichendorff komponiert, dessen Worte schließen: ‚Gedanken geh’n und Lieder bis in das Himmelreich’.“

Felix Mendelssohn Bartholdy am 3. Juni an Carl Klingemann

„Sie trat, obwohl jeder ausgedehntesten und schwierigsten Form völlig mächtig, doch nur mit Ergüssen der unmittelbaren Empfindung, vorzugsweise mit schönen Liedern, in die Öffentlichkeit, und machte das Anrecht auf Größeres, das sie vollgütig besaß, nicht geltend. – Die ihren künstlerischen Wert erkannten, müssen ihn auch erkennen und der Verfasser dieser Zeilen fühlt sich um so mehr dazu gedrungen, als auch der die schönsten Zeiten der jugendlichen Kunstentwicklung mit dem Kreise schuldig ist, in welchem sich die seltene Talentblüte der zu früh von uns Geschiedenen entfaltete! – Und unübersehbar ist die Zahl derer unter uns, die ihr gleiche Gesinnungen des Dankes und der Verehrung widmen müssen; das wird ihre schöne Begleitung an den Rand der Gruft sein.“

Ludwig Rellstab, Nachruf auf Fanny Hensel

„Auf dem Berliner Dreifaltigkeitsfriedhof liegt die Komponistin Fanny Caecilie Hensel, geborene Mendelssohn Bartholdy unter einem schweren roten Granitstein, mit einem bis zum hohen A ins Himmelreich sich aufschwingenden Liedchen daraufgemeißelt, was wohl ihr Gatte angeordnet haben mag, der nun auch dabei liegt und für sich selbst das gleich helle Grabkreuz wählte wie der Bruder. So ist Fanny, ganz wie im Leben, schön gerahmt von ihren beiden Männern oder, wie sie einmal in der ihr eigenen herben Art bemerkt hat: „wie der Esel zwischen zwei Heubündeln“.

Eleonore Büning, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7.6.1997

Felix Mendelssohn stirbt noch im selben Jahr am 4. November in Leipzig; er erleidet bei einem Spaziergang mit Cecile einen Schlaganfall.

1848      Wilhelm Hensel, ehemaliger Jägeroffizier, übernimmt in den 48er-Wirren als Kommandierender das „Berliner Künstler-Corps“. Das Freicorps unterstützt die royalistische Seite. Auch in der folgenden Reaktionszeit bleibt Wilhelm Hensel auf Seiten der preußischen Royalisten politisch aktiv.

1850      Auf Drängen seines Schwagers Wilhelm Hensels hatte Felix Mendelssohn Bartholdy noch kurz vor seinem Tod weitere Werke der Schwester für den Druck arrangiert. So erscheinen, durch den Ehemann befördert die Vier Lieder ohne Worte op. 8, Sechs Lieder op. 9, Fünf Lieder op. 10 und das Klaviertrio d-moll op. 11.

1851      Wilhelm Hensel verkauft das Mendelssohnsche Anwesen, in dem ihn alles an seine glücklichen Jahre mit Fanny erinnert. Er erwirbt das Gut Groß Barthen in Ostpreußen. Er hat die Maleri aufgegeben und widmet sich der Bewirtschaftung des Hofes und dem Zeichnen. Viele seiner über 400 Zeichnungen sind in den späten Jahren entstanden.

1852      Luise Hensel zieht für rund zwanzig Jahre mit Gertrud Schwenger nach Wiedenbrück. Nach ihren rastlosen Jahren, in welchen sie sich vor allem karitativen Aufgaben der Pflege alter Menschen und der Erziehung mittelloser Mädchen widmete (u.a. in Berlin, Bonn, Köln, Langenberg, Münster, Koblenz, Aachen, Düsseldorf, Dülmen, Bocholt, Aschaffenburg und Regensburg) war Wiedenbrück die Heimstatt ihres Alters.

1861      Am 26. November stirbt Wilhelm Hensel, fast 15 Jahre nach seiner geliebten Fanny. Luise Hensel besucht ihren Neffen Sebastian Hensel in Groß Barthen bei Königsberg, um den Nachlass von dessen Vater Wilhelm, die zahllosen Arbeiten des Malers und Porträtisten, zu ordnen.

„Schön wie er gelebt, so starb er. Eine menschenfreundliche Handlung wurde die unmittelbare Ursache seines Todes. Ein Kind aufraffend, das in Gefahr war, von einem Omnibus überfahren zu werden, verletzte er sich selbst am Knie; von da ab lag er danieder.“

Theodor Fontane, In: Wanderungen

1874      Luise Hensel wohnt seit Kurzem in Ahlen, wo sie am 15. September unglücklich stürzt und sich einen Hüftgelenkbruch zuzieht. Ihre frühere Schülerin Pauline von Mallinckroth, die in ihrem Sinn ihr Leben ganz dem Caritas-Gedanken unterworfen hat, nimmt sie in den Paderborner Westfalenhof – Kloster der Töchter der christlichen Liebe – auf.

1876      Am 18. Dezember stirbt Luise Hensel in Paderborn, wo sie am 20. Dezember auf dem Ostfriedhof beerdigt wird.

 

 

 

 

Zusammengestellt aus zeitgenössischen und modernen Quellen

von Rüdiger Krüger

 

 

© Dr. Rüdiger Krüger, Rheda-Wiedenbrück 2006
Kontakt: mailto:siegfriedcarl@hotmail.com
letzte Änderung: 25.07.06

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