Drache Fürchterlich

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Wie der Drache Fürchterlich
fürchterlich zahm wurde.

 

Der Drache Fürchterlich lebte in einem Felsbruch unweit der Burg Schwalbennest, die sich auf der südlichen, gegenüberliegenden Seite des Berges an einen Felsen schmiegte. Schwer waren beide zu erreichen, das Nest des Drachen, wie auch die kleine Burg; und obwohl man diese vom Tal aus am Felsen kleben sehen konnte, waren die meisten Ritter, die sich zu ihr aufmachten, im steilen, felsigen Wald zumeist hoffnungslos verloren. Denn viele Wege führten in die Irre. Wenn man den breitesten Bahnen auf die Nordseite des Berges folgte, so gelangte man schnurstracks ins Drachennest, das sich unter einem Felsüberhang befand. Und wer nicht dem Drachen Fürchterlich in die Arme lief, der verirrte sich zumeist im finstren Tann oder stürzte in abgründige Tiefen. Glück hatte schon, wer nach oftmals tagelangem, vergeblichen Herumirren wieder unbehelligt in die friedlich Talaue gelangte. Die Burg Schwalbennest konnten nur besonders kundige und verwegene Ritter erreichen, die sich über Felsgrate und Steilhänge, durch unwegsames Gelände wagten.

Doch warum machten sich immer wieder kühne Ritter auf dem Weg zur Burg Schwalbennest? Die wenigen Ritter, welche Burg und Drachennest erreicht hatten, und mit schlotternden Knien, zerbeulter Rüstung und verbrannten Haaren ihrem Unglück entrinnen konnten, erzählten eine beinahe gleichlautende Geschichte:

 

Mit viel Glück und noch mehr Mühen und Kraft hatte man die Burg Schwalbennest erreicht, die von unten so klein aussieht, sich aber beim Näherkommen als ein mächtiger Burgkomplex mit Vorburg, weitläufigen, sich über mehrere Stockwerke erstreckenden Höfen, Fluren, Kemenaten und sonstigen Räumen entpuppt. Der Palas, ein mächtiger, mit bunten Drachenornamenten bemaltem, spitzem Gewölbe und bunten gotischen Glasfenstern ausgeschmückter Festsaal, an den Wänden mit den allerfeinsten flämischen Wandteppichen behängt, weist an seinem runden Kopfende einen feinen Sessel auf. Der vergoldete, mit rotem Samt gepolsterte Sessel steht vor einem besonders schmuckvollen Fenster, das Sankt Georg im Kampf mit dem Drachen zeigt; im Hintergrund, vor der Silhouette der Burg Schwalbennest, die zarte Jungfrau, die der Drache als Tribut fordert. Vor dem Sessel ein kleiner Fußschemel aus purem Gold.

Auf dem Sessel saß ein zartes, allerliebstes Geschöpf, die schönste Jungfrau im ganzen Königreich, und weinte bittere Tränen. Neben ihr stand mit unbeweglicher, ja beinahe versteinerter Mine, Graf Adalbert vom Schwalbennest und sprach zu dem verwegenen Ritter, der die langen Mühen des Aufstiegs auf sich genommen hatte und die stolze Burg trotz des beschwerlichen Weges erreichen konnte, die stets gleichen Worte: "Meine Tochter Elisabeth weint seit drei Jahren ununterbrochen, weil ihr Herz sich nach dem Drachen Fürchterlich verzehrt. Wer mir den Drachen lebend ins Burgverlies schafft, dem sei die Hand meiner Tochter und meine ganze Grafschaft mit allen beweglichen und unbeweglichen Gütern zu Eigen. Wenn er ihn aber tötet, so wird auch Elisabeth an gebrochenem Herzen sterben, und mein Grimm wird ihn Tag und Nacht bis an sein Ende verfolgen." Nach dieser Rede strich er mit beinahe zärtlich werdendem Blick seine Rechte über das Haupt der schluchzenden Schönen, und mit herrischer Geste wies er dem Ritter die Türe.

Wer je die in Tränen zerfließenden Augen der sanften Prinzessin gesehen, ihre zartgliedrigen Hände beobachtet hatte, wenn sie das spitzenverzierte Seidentüchlein zu den geröteten Wangen führt, der konnte die Worte des einstmals mächtigen Grafen, der wegen des Jammers seiner Tochter zum Eigenbrötler geworden war, nur als Aufforderung zum schnellsten Handeln verstehen. Kaum hatte sich das Burgtor knarrend geschlossen und war die Zugbrücke heraufgezogen, so versank die Burg im vom Tal aufsteigenden Nebel, und ein breiter, zu beiden Seiten von verbrannten Bäumen gesäumter Hohlweg führte den Ritter zum Drachennest, wo der Drache Fürchterlich hauste. Schon aus weiter Ferne vernahm der tapfere Ritter ein lautes Brüllen und beim Näherkommen konnte er Feuerstöße sehn und den Geruch von Schwefel und verbranntem Holz riechen. Bog er nun vollends um den Fels, hinter welchem sich die Höhle des Drachen befand, so sah er Fürchterlich in seiner ganzen Größe vor sich. Er maß in der Höhe mindestens die Größe dreier Ritter zu Pferde und in der Länge hatte er ungefähr das Ausmaß des Kirchenschiffs der Sankt Georgs-Kirche des nahe gelegenen Städtchens. Sein grün-braun-felsig schimmernder Leib, die scharfen Zacken seines Rückens und des wild peitschenden Schweifes, die spitzen Krallen der plump erscheinenden, aber desto kräftigeren Tatzen waren harmlos gegenüber dem ohrenbetäubenden Brüllen des weitaufgerissenen Rachens, dem ein Feuerschwall und gelbschwarzer Schwefeldampf unter lautem Zischen entströmte. Und jedem Ritter erging es ähnlich: Im ersten Moment starr vor Furcht tauchte das Bildnis der zarten Prinzessin mit ihren tränenvoll-traurigen Augen vor ihm auf und zwang ihn, den Kampf mit dem Ungeheuer zu wagen. Und immer ging es ums Leben, denn der Drache Fürchterlich kämpfte mit solch grimmem Mut und Todesverachtung, dass kein Ritter ihm zu widerstehen vermochte. Die umherliegenden verrosteten Schwerter und Helme, verbrannten Schilde und Lanzen, sowie die Narben im Leib des mächtigen Untiers sprachen eine beredte Sprache. Stets kam der Moment, an welchem nur noch die Möglichkeit bestand, alles zu wagen, und dem Drachen unter Einsatz des eigenen Lebens mit einem kräftigen Sprung unter dem feuerspeienden und todbringenden Rachen hindurch an das Herz zu gelangen. Doch damit wäre alles verloren, vielleicht das eigene Leben oder das des Drachen, in beiden Fällen jedoch die Prinzessin.

Die wenigen Ritter, die diesen letzten Moment erreichten, kehrten um und suchten ihr Heil in der Flucht. Sie mehrten durch ihre Berichte nur die Mär von der Schönheit und Unerreichbarkeit der Prinzessin Elisabeth vom Schwalbennest und die Größe und Unüberwindlichkeit des Drachen Fürchterlich.

 

Eines Tages näherte sich der Stadt am Fuße des Berges, auf welchem Drachennest und Schwalbennest der Erlösung durch ein unbeflecktes Ritterherz harrten, um die Mittagszeit eine traurige Gestalt. Auf einem alten, schon grau werdenden Rappen, dem die Knochen spitz aus der Haut stachen, saß eine Figur, die zu beschreiben schwer fällt. Unter aufgeklapptem Visier schauten traurige Augen düster in die Welt. Die zerbeulte, durchlöcherte und teilweise rostige Rüstung schepperte bei jedem Schritt des Rappen, als käme der Händler mit seinen Kochtöpfen daher. Die zerborstene Lanze steckte in einem Schaft, dessen Leder speckig und dünn war. Schwert und Schild, das einen verblichenen Drachen auf abblätterndem rotem Grund zeigte, sahen nicht so aus, als seien sie in den letzten Jahren jemals gebraucht worden; der Rost hatte die Schneide des Schwertes stumpf gemacht und Wind und Wetter das Holz des Schildes morsch.

Als der Ritter auf seinem Rappen gemächlich durch das Stadttor ritt und vom Wächter nach dem Wer, Woher und Wohin gefragt wurde, antwortete er mit trauriger, leiser Stimme, er sei Konrad von Schreckenstein, käme von weiter Abenteuerreise und wolle die Prinzessin Elisabeth vom Schwalbennest aus ihrer Traurigkeit befreien, indem er den Drachen überwinde. Der Wächter lachte laut auf, als er dies hörte und die traurige Gestalt musterte, und die Neuigkeit von der Ankunft des seltsamen Fremden ging wie ein Lauffeuer durch die Stadt. Kinder und Narren zogen mit lautem Trara hinter Konrad "von der traurigen Gestalt", wie ihn alle sofort nannten, her und machten ihre Faxen und lachten den armen Ritter aus. Er war das Gespött der Stadt.

Konrad ritt mit seinem seltsamen, johlenden Gefolge auf die mächtige Stadtkirche zu, band seinen Rappen an den Elisabethenbrunnen des Kirchplatzes, auf welchem sich die Meute der Spottenden noch vergrößerte, und schritt mit hängenden Schultern auf das Kirchenportal zu. Er betrat das dämmrige Kirchenschiff, die johlende Menge hinter sich lassend, und kniete in einer Seitenkapelle vor dem Altar des Sankt Georg nieder. Plötzlich füllte sich die Kapelle mit einem unwirklichen Licht und es kam Bewegung in das sonst so feierliche Bildnis. Sankt Georg wandte sich dem Ritter zu und sprach: "Du hast viele Jahre lang deinem Geschlecht der stolzen Fürsten von Schreckenstein keine Ehre gemacht und bist doch der Ehrenvollste von allen. Nie hast du einen Anderen im Kampf niedergestreckt und doch hast du sie alle besiegt. Nie hast du einen Menschen überwunden, und doch bist du ein Ritter ohne Fehl und Tadel, denn du hast dich selbst überwunden. Nur mit der Kraft des Wortes und mit Liebe kämpfst du; jetzt soll dir der Lohn zuteil werden!" Und mit einem Mal war der Kirchenraum wieder düster wie zuvor. Mit einem Lächeln auf den Lippen erhob sich Konrad und schritt stolz erhobenen Hauptes, doch immer noch mit traurigen Augen durch das Kirchenportal auf seinen Rappen zu. Ohne die johlende Menge zu beachten ritt er auf das Stadttor zu; dem Wächter nur ein knappes "Ich wag's!" zurufend, trieb er seinen Rappen auf den Berg zu. Die vorher lachende Menge traute ihren Augen nicht und verstummte. Ein jeder spürte in seinem Innersten, dass der Fremde ins sichere Verderben ritt.

Konrad ließ dem Rappen mit lockeren Zügeln freien Lauf. Das Tier, dem kaum einer zugetraut hätte, dass es auch nur noch bis zum Waldrand gelangen würde, bevor es unter der Last des Ritters zusammenbrechen würde, lief mit einem Mal wie ein junges Fohlen bergan. Ungestüm durchquerte es das dichteste Unterholz, sprang über felsige Gräben und kletterte auf steinigem Untergrund, so dass Konrad es mit leisen Schnalzlauten zu einer langsameren Gangart bewegen musste. "Ruhig, ruhig!" sagte er, indem er absprang. "Lass mich mit dir bergan klettern, ich bin zu schwer für dich. Wir erreichen unser Ziel noch früh genug." Und richtig, schon in der Abenddämmerung begehrten sie Einlass auf Burg Schwalbennest. Die Zugbrücke fiel krachend zu Boden, knarrend öffnete sich das Tor, kein Mensch war zu sehen. Zielstrebig, als sei er auf der Burg, die er doch noch nie betreten hatte, zu Hause, schritt Konrad in den oberen Burghof. Er band den Rappen an der Tränke fest, nahm sich Zeit, das müde Tier abzuzäumen und mit einem Leinentuch trocken zu reiben, und reichte ihm, die Hände zu einem Becher geformt, Wasser. Nachdem der Durst des Pferdes gestillt und auch Konrad einige Schluck genossen und sich mit einer Handvoll Wasser das Gesicht frisch gemacht hatte, schritt er durch das schmiedeeiserne Tor auf den Palas zu.

Adalbert vom Schwalbennest hatte in Windeseile von der Ankunft des seltsamen Fremden erfahren, war in den Palas geeilt und hatte dem Töchterlein geboten, sich bereit zu halten. Wie ein Schatten schwebte Elisabeth in den Palas und versank in tränenreicher Traurigkeit in ihrem purpurnen Sessel. Konrad begehrte Einlass, die schwere Eichentüre öffnete sich, und mit gebeugten Schultern und gesenktem Haupt kam er langsam auf Vater und Tochter zu. Bei jedem Schritt klapperte die verbeulte und verrostete Rüstung. Vor dem Hausherrn angekommen, sank Konrad in die Knie, und durch diese plötzliche Bewegung fiel das eingerostete Visier herab. Nur mit größter Anstrengung konnte er es wieder quietschend öffnen und blickte direkt in Elisabeths feuchte Augen. Elisabeth hatte ein solch schönes, klares Gesicht in einer derart jämmerlichen Aufmachung nie gesehen. Erstmals seit vielen Jahren huschte ein Lächeln über ihre Züge, das nur von Konrad wahrgenommen werden konnte, und das bestickte Seidentüchlein entglitt ihrer Hand. Linkisch hob es Konrad auf und reichte es ihr. Sie sahen sich in die Augen, und mit einem Mal wusste Elisabeth, dass nun ihr Leid ein Ende nehmen wird. Sie wusste es mit einer Gewissheit, dass ihre Tränen versiegten. Ihr Vater war sehr erstaunt und hatte größte Mühe, Haltung zu bewahren. Mit herrischer Gebärde befahl er der traurigen Gestalt, aufzustehen und sagte: "Meine Tochter Elisabeth weint seit drei Jahren ununterbrochen, weil ihr Herz sich nach dem Drachen Fürchterlich verzehrt. Wer mir den Drachen lebend ins Burgverlies schafft, dem sei die Hand meiner Tochter und meine ganze Grafschaft mit allen beweglichen und unbeweglichen Gütern zu Eigen. Wenn er ihn aber tötet, so wird auch Elisabeth an gebrochenem Herzen sterben, und mein Grimm wird ihn Tag und Nacht bis an sein Ende verfolgen." Und damit entließ er den Ritter, der ihm so gar nicht dazu geschaffen schien, seine Elisabeth zu erlösen.

Noch in der Nacht machte sich Konrad auf den Weg, um den Drachen zu überwinden. Den Rappen hatte er im Schutz der Burg zurückgelassen und gesagt, er bitte darum, ihn bis zu seiner Rückkunft mit dem Drachen zu versorgen. Der Stallbursche hatte mit den Schultern gezuckt und ihm kopfschüttelnd nachgeblickt, noch so eine arme Kreatur, die ins Verderben eilt, noch dazu in finsterster Nacht.

Der Vollmond hüllte den Berg in silbriges Licht. Die vom Tal aufsteigenden Nebelschwaden ließen alles unwirklich, wie eine Traumlandschaft erscheinen. Behende kletterte Konrad über Wurzeln, sprang über Felsen, kletterte auf umgestürzten mächtigen Tannen über schwindelerregende Klüfte und erreichte um Mitternacht den Felsvorsprung unter welchem sich die Höhle des Drachen Fürchterlich befand. Dieser schlief bei Vollmond stets besonders unruhig und wälzte sich im Traum hin und her, dass der ganze Fels erzitterte. Konrad nahm alsbald seinen Mut und seine List zusammen und kletterte seitwärts am Felsvorsprung herab. Ein mannshohes, wie ein bemooster Felszacken aussehendes Gebilde ragte aus der Höhle, und im Dämmerlicht bemerkte Konrad ein unruhiges Zucken: Es war das Ohr des Drachen Fürchterlich. Konrad schlüpfte in die Ohrmuschel und durch das Kitzeln, ein völlig ungewohntes Gefühl, erwachte der Drache Fürchterlich. Sofort begann Konrad mit sanfter Stimme das Lied von Sankt Georg zu singen:

Sankt Georg war ein frommer Mann,
hat manchem Drachen Leids getan.
Der Drache war ein wildes Tier,
er fraß die zarte Jungfrau schier.
Ihm wäre nie ein Leid geschehn,
hätt er sich besser vorgesehn.
Denn nur in Lebens-Nöten
tät Georg Drachen töten.

Denn auch die wilde Kreatur
ist Teil von Gottes Schöpfung nur.
'Du sollst nicht töten!' Ist Gebot,
es gilt auch in der größten Not.
Und nur der zarten Jungfrau Schutz,
nicht Ritters schnöder Eigennutz,
hilft einen Ausweg finden
beim Drachen-Überwinden.

Die zweite Strophe des Liedes war Konrad ohne Überlegung über die Lippen gekommen, sie gehörte eigentlich gar nicht zum alten Sankt Georgs-Lied. Aber gerade diese Worte trafen tief ins Herz des Drachen Fürchterlich, der so herzerbarmend zu schluchzen begann, dass Konrad sich an den struppigen Ohrhaaren kräftig festhalten musste, um nicht zu Boden geworfen zu werden. Beruhigend sang Konrad die Strophen ein zweites Mal. Aber der Drache Fürchterlich beruhigte sich überhaupt nicht, sondern begann nun ein Geheule, dass es durch das ganze Tal schallte, und alle Menschen im Städtchen und auf der Burg Schwalbennest angstvoll erwachten und dachten: nun ist es auch um den armen Ritter von der traurigen Gestalt geschehen. Nur Elisabeth erwachte nicht aus ihrem bleiernen, traumlosen Schlaf, in den sie nach ihrem Abendgebet, in das sie auch den Ritter Konrad eingeschlossen hatte, gefallen war.

Doch dann ging das Heulen des Drachen Fürchterlich, das Konrad doch Sorgen um sein weiteres Wohlergehen gemacht hatte, in ein leises Weinen über, und er hub an zu sprechen: "Ich bin doch gar nicht fürchterlich grausam, wie alle Welt meint. Ich bin nur fürchterlich einsam und fürchterlich traurig, weil ich mich so fürchterlich nach einer Prinzessin sehne, die mich fürchterlich gern hat - und bei der ich so fürchterlich gerne wäre." Als der Drache Fürchterlich dies stammelte, hatte Konrad Mühe, schnell genug aus der Ohrmuschel zu klettern, denn unvermutet schrumpfte der Drache Fürchterlich, so dass er nurmehr die Größe eines Bauernhauses hatte. Und nun stand Konrad vor ihm, kraulte ihm die Kniekehle des linken Vorderbeines, an welchem er herabgeglitten war, und klärte ihn über den Sachverhalt auf: Er wolle ihm doch überhaupt nicht Übles antun, so wie er hoffe, dass auch ihm kein Unglück zustoße. Nur sei die Prinzessin Elisabeth vom Schwalbennest genauso einsam und traurig wie er, weil sie sich so sehr nach dem Drachen sehne. Da schrumpfte der Drache Fürchterlich nochmals ein wenig zusammen, bekam einen fast zärtlichen Klang in seine immer noch raue und rauchige Stimme und schlug vor, doch gemeinsam zur Burg aufzubrechen, um Elisabeth glücklich zu machen.

Und so kam es dann auch: Je näher die beiden der Burg kamen, um so kleiner wurde der Drache Fürchterlich. Als sie in der Morgendämmerung ans Burgtor klopften und Einlass begehrten, traute man den Ohren und Augen kaum. Der Ritter trat frisch und lachenden Gesichts in den Burghof, in seinem Gefolge, nicht größer als der Rappe, den der Ritter in Obhut gegeben hatte, der Drache Fürchterlich. Schnurstracks schritt man auf den Palas zu, in welchem sich in aller Eile Adalbert von Schreckenstein, Elisabeth und der Hofstaat versammelt hatten. Als die schwere Eichentüre geöffnet wurde, schritt Konrad von Schreckenstein hoch erhobenen Hauptes auf den Grafen zu und bat ihn um die Hand seiner Tochter. Dieser blickte ungläubig auf Konrad und den Drachen, der sich, je näher er der Jungfrau kam, in die Größe eines Hundes verwandelte. Elisabeth kraulte dem Drachen Fürchterlich den Hals, so dass dieser wie eine Katze zu schnurren begann, und in der Größe eines Schoßhündchens nur noch auf den zarten Wink Elisabeths wartete, um flugs auf ihren Schoß zu springen. Zärtlich streichelte sie ihn, und, weiterhin kleiner werdend, schlief der Drache Fürchterlich im Schoß der Prinzessin ein.

Ein prächtiges Fest in der Stadt und auf der Burg stand an. Und keiner ließ sich die Gelegenheit entgehen, bei der prachtvollen Trauung in der Kirche Sankt Georg dabei zu sein, als eine lachende Elisabeth vom Schwalbennest die Frau des edlen Konrad von Schreckenstein wurde. Den beiden prächtig gekleideten Brautleuten zunächst, noch näher als Adalbert vom Schwalbennest und die von fernher angereisten Verwandten der Brautleute, durfte ein weißer Schoßhund der Zeremonie beiwohnen, der allen vorkam, als sähe er wie ein kleiner Drache aus.

 

 

© Dr. Rüdiger Krüger, Rheda-Wiedenbrück 2006
Kontakt: mailto:siegfriedcarl@hotmail.com
letzte Änderung: 07.05.00

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