Kritik der Aufführungen
Die Uraufführung des Schauspiels hatte am Donnerstag 29. Juni 2000 in Bad Herrenalb
Premiere. Leider in einer stark vom autorisierten Text abweichenden Spielfassung
durch den Regisseur, in welcher die Tektonik des Stückes, seine hintergründige
Ironie sowie sein roter Faden nurmehr schemenhaft sichtbar waren. Aus einer
klassischen, mit einer Literaturcollage durchwirkten Mythenkomödie wurde so
eine platte Nymphen- und Götterburleske, die nur noch von der Sprache und
teilweise der nun zum Witz degradierten Ironie des Originals lebt.
Schade, schade, schade!
Die nachfolgenden Zeilen erreichten den Autor per eMail Mitte Juli 2000 mit
dem Hinweis, der Münchner Rezensent habe die Kritik an die "Pforzheimer
Zeitung" und den "Schwarzwälder Boten" emailiert. Ob sie dort je
abgedruckt wird/wurde, ist dem Autor leider nicht feststellbar.
"Bad Herrenalber Theater-Nachlese"
Auch in diesem Sommer hat Bad Herrenalb nach dem gelungenen "Teufel von
Herrenalb" vom vergangenen Jahr wieder ein Freiluftspektakel an
ungewöhnlichem Ort gewagt. Nach den alten Klosterresten, in welchen 1999
literarisch überhöhte Ausschnitte einer fiktiven Stadtgeschichte vorgeführt
wurden, sollte nun der Außenbereich der Therme diverse fabelhafte Wasserwesen
der Alb und anderer Gewässer mit den göttlichen Besuchern aus dem
mythologischen Griechenland konfrontieren. Alva, die Nymphe der Alb, sollte in
einer himmlischen Hochzeit dem Aquarius/Ganymed vermählt und damit der Stadt
ein köstlicher Gründungsmythos geschenkt werden. Eine hervorragende Idee des
Autors Siegfried Carl, dessen sich die rührige Stadt gleich für drei
Schauspiele versichern konnte. Viel an intelligenter Lesefreude vermittelt der
Textabdruck seines Stücks, das bei den Veranstaltungen als bedauerlicherweise
selten gekauftes Textheft angeboten wurde.
Leider war dieses überaus gut konstruierte und strukturierte, in zuweilen
klassischer aber stets gut sprechbarer Sprache geschriebene und mit vielen
witzigen Andeutungen und Zitaten nur so gespickte Werk in der gebotenen
Aufführung kaum wiederzuerkennen. - Ja, wenn man sich nachträglich etwas mit
dem Text beschäftigte, so musste man schnell feststellen, dass die Inszenierung
es nur äußerst entstellt und fragmentarisch wiedergegeben hatte, dass der
Regisseur seine Schwierigkeiten mit der Thematik in einer um- und schlecht
zusammengestellten Spielfassung, in verständnislosen Kürzungen und unter
Verzicht auf jeglichen, dem Stück so sehr eigenen Humor manifestierte.
Natürlich hatten die in langer Probenarbeit auf Michael Giese
Eingeschworenen ihre Freude am Spielen, auch wenn sie vom Regisseur - besser
"Nicht-Regisseur" - augenscheinlich nicht sonderlich gefördert und
geführt wurden. Den Laienschauspielern aus dem Ort kann die originale
Textfassung nicht vorgelegen haben, denn nur so konnte sich der
"Regisseur" um manch peinliche Frage drücken, denn jeder, der lesen
kann, hätte einfach sogleich erkennen müssen, dass Giese nicht Siegfried Carls
hervorragende fantastische und fantasievolle Mythen-Komödie inszenieren wollte,
sondern seine eigene, mehr schlecht als recht zusammengeschusterte
Verballhornung derselben.
Kein Wunder, dass man die Meinung hören konnte: das Stück sei wohl nicht
gut geraten, aber der Regisseur habe noch das Beste daraus zu machen verstanden
und seine Inszenierung und die darstellerischen Leistungen hätten es gerettet.
All jene, die sich so äußerten, können den originalen Text nicht gelesen
haben - sie orientierten sich allein an der missratenen Aufführung oder gar an
der vom "Regisseur" eingerichteten Spielfassung!
Wie es wohl dem Autor bei den Vorstellungen ergangen sein mag? Hierüber kann
nur spekuliert werde: Sicher nicht besonders gut. Viele, mit denen ich sprechen
konnte und die den Text gelesen haben (wie ich selbst) waren keineswegs "amused".
Eine Bitte an die Herrenalber - die Schauspieler und die Besucher: Lest das
Stück, es ist wirklich gut!
Eine Bitte an die Veranstalter, die Stadt Bad Herrenalb und ihren
Bürgermeister Manfred Renz: Lasst Siegfried Carl ohne äußere Einmischungen
das dritte Stück schreiben (etwas besseres kann Euch nicht passieren!), aber
nehmt diesmal einen echten Regisseur, der es auch umzusetzen versteht! ...der
die Qualität des Stücks erkennt und es sich in seiner bebildernden
Bühnen-Sprache zueigen machen, der es wahrhaft inszenieren kann. Und gebt das
hervorragende Stück "Alva & Aquarius" nicht auf, sondern bringt
es (und den "Teufel von Herrenalb") in zwei, drei Jahren und in einer
adäquaten Fassung nochmals auf die Thermen-Bühne!
Moritz Held, München